Full text: Sammelband

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hatte; sie nahm aber bei ihm einen so langsamen Vverlauf — solche 
Fälle kommen vor —, daß er mehrere seiner durch ihn tuberkulös 
gewordenen Angehörigen überlebte. Er verstreute bei jedem Wort, 
das er sprach, bei jedem hustenstoß zahllose Bazillen; in feinen Tröpf⸗ 
chen hielten sie sich scwwebend in der Luft, um vom Cuftstrom im 
ganzen Zimmer verbreitet zu werden. War es da zu verwundern, 
daß die Angehörigen tagaus, tagein die mit Tuberkelbazillen ge⸗ 
schwängerte Atmosphäre einatmeten, daß die Bazillen zwar eine Zeit⸗ 
lang von den Schleimhäuten der Nase und des Rachens wie von einem 
Filter zurückgehalten und mit dem Speichel wieder ausgeschieden 
wurden, aber schließlich der Körper nicht mehr die Kraft hatte, sich 
ihrer zu erwehren, und somit der Unsteckung erlag? Ist auch die 
Quelle der Infektion in dem Vater zu suchen, der zuerst erkrankte, 
so kann doch kein Zweifel darüber bestehen, daß die Wohnung, die, 
abgesehen von ihrer Feuchtigkeit, durch die geradezu sträfliche Ab— 
sperrung des gesunden Vorderzimmers zu einer völlig unhygienischen 
wurde, nicht nur jede Übertragung der Keime vom Kranken auf die 
Gesunden sehr begünstigte, sondern auch ihre Bewohner dem Einfluß 
der Feuchtigkeit aussetzte und sie empfänglich für die Ansteckung 
machte. Wäre die „gute“ Stube der allgemeinen Benutzung zugäng⸗ 
lich gewesen, so hätte auch das feuchte Simmer genügend durchlüftet 
und dadurch eines großen Teils seiner Schädlichkeit enthoben werden 
können; zweifellos wäre es dann nicht zu einer so katastrophalen 
Ausbreitung der Krankheit gekommen. Englische Zusammenstellun⸗ 
gen ergaben, daß in ungenügend ventilierten Wohnungen mehr Men⸗ 
schen an Tuberkulose sterben als in solchen, die der Luft ungehin— 
derten Durchtritt gewähren. 
Die Tröpfcheninfektion hat für die Verbreitung der Tuberkulose 
eine große Bedeutung. Ein Kranker, der ins Taschentuch hustet oder 
seinen Auswurf in eine Spuckflasche entleert, hält zwar viele Keime 
zurück, verhindert aber nicht, daß beim Sprechen feinste Tröpfchen 
und mit ihnen Bazillen verstreut werden und sich in der Luft ver⸗ 
teilen. Ein bazillenstreuender Kranker ist um so gefährlicher für 
seine Umgebung, je zahlreicher die Mitbewohner sind und je enger 
die Wohnung. 
Auf eine andere Art der Infektion führt uns der folgende Fall. 
In einer sehr vernachlässigten Dachwohnung wohnt seit kurzem ein 
junges Arbeiterpaar mit einem bis dahin ganz gesunden zweieinhalh⸗
	        
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