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reichen Städten konnte nachgewiesen werden, daß in den vVierteln
mit den hohen Häusern und den dicht belegten Kleinwohnungen die
meisten Tuberkulosefälle vorkamen, daß die Tuberkuloseverbreitung
mit der Wohndichtigkeit parallel ging; in Paris, wo es eine Tür⸗ und
Fenstersteuer gibt, wurde festgestellt, daß in den Bezirken, in denen
die niedrigste Fensterzahl auf jeden Bewohner kommt, die Tuber⸗
kulosesterblichkeit am größten ist, daß also diese und die Fensterzahl
in umgekehrtem Verhältnis zueinander stehen. Diese zahlenmäßigen
Nachweise sind aber nicht frei von gewissen Unrichtigkeiten, besonders
wenn ihnen die Sterblichkeitsziffern zugrunde gelegt werden. Nur
in ganz seltenen Fällen ist die Wohnung, auf die die Statistik Bezug
nimmt, auch die, in der die Krank—
heit entstanden ist. Ein chronisches
Leiden erfordert immer erhebliche
Geldaufwendungen; die soziale
Cage der Familie, in der es sich
eingenistet hat, wird sich in den
allermeisten Fällen verschlechtern,
und das findet immer auch darin
seinen Ausdruck, daß eine billigere
und meist der Gesundheit unzu⸗
träglichere Wohnung gemietet
wird. Wichtiger als die statistischen
Grundlagen sind die alltäglichen Erfahrungen der ärzte, der Ur—
menpfleger, der Fürsorgebeamten, die übereinstimmend ergeben, daß
gerade das Zusammenleben mit einem Schwindsüchtigen in einer
engen Wohnung für die Verbreitung der Krankheit verhängnisvoll ist.
Die Tuberkulose ist die Infektionskrankheit, die für uns einmal
wegen ihrer ganz gewaltigen Verbreitung, dann aber, weil sie rück⸗
sichtslos in das Leben der Familien eingreift und unzählige Menschen⸗
leben im blühendsten Alter dahinrafft, die größte Bedeutung hat.
Das Volk hat um den Begriff Schwindsucht mancherlei Legenden ge—
bildet, aber die energischen Bestrebungen gemeinnütziger Vereini—
gungen, der Krankheit herr zu werden und weiteste Kreise über ihr
Wesen aufzuklären, haben damit aufgeräumt, so daß man selbst
dort, wo man es nicht vermutet, bisweilen richtige Vorstellungen
trifft. So hat denn auch schon der Erreger der Tuberkulose, der
Tuberkelbazillus, eine gewisse Volkstümlichkeit erlangt; er ist dank
Abb. 12. Tuberkelbazillen.