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funden haben. Meist wird ein geschwächter Körper ohne die genü—
gende Widerstandskraft, sich der Cindringlinge zu wehren, einen gün—
stigen Boden für sie abgeben. Auch in dieser Beziehung macht sich
unter Umständen der Cinfluß einer unhygienischen Wohnung geltend.
Wie wir sahen, vermag sie am Körper zu zehren, seine Kräfte und
die dem Gesunden innewohnende natürliche Widerstandskraft gegen
Infektionserreger herabzusetzen und somit die Entstehung der Urank—⸗
heit zu begünstigen, aber auch den Verlauf des Leidens kann sie recht
ungünstig beeinflussen, und es ist Tatsache, daß die Infektionskrank—
heiten in ungünstigen Wohnungen viel mehr Todesopfer erfordern
als in gesunden.
Eine der gefürchtetsten Krankheiten des Kindesalters ist die
Diphstherie. Die Zahl der Opfer, die sie jahraus, jahrein im
Deutschen Reiche heischt, übersteigt immer noch 10000; früher war
diese Zahl in manchen Jahren 5-6mal so hoch, bis es mit hilfe von
Behrings Entdeckung, dem Heilserum, gelang, dem schrankenlosen
Wüten der Seuche Einhalt zu gebieten. Ihr Erreger, der 1885 von
Löffler entdeckte Diphtheriebazillus, ist ein leicht gekrümmtes Stäb—
chen, das an seinen Enden nicht selten keulenförmige Anschwellungen
besitzt; seine Länge beträgt nicht mehr als 2—4 Tausendstel eines
Millimeters. Der Bazillus gelangt durch die Nase oder den Mund
mit der Atemluft in den Nasenrachenraum, siedelt sich dort an und
ruft eine Entzündung hervor. Die obersten Schleimhautschichten wer⸗
den zerstört und in weißliche Fetzen umgewandelt, die sich als „diph—
therische Beläge“ an den Gaumenmandeln, am Kachen, in ernsteren
Fällen auch in der Nase und am Kehlkopf finden. Machen diese
Erscheinungen schon Atembeschwerden, halsschmerzen und Fieber, so
wird das Urankheitsbild wesentlich durch die Giftstoffe verschlimmert,
die, von den Bazillen ausgeschieden, ins Blut übergehen: hohes Fie⸗
ber, herzstörungen, Kopfschmerzen sind die Kennzeichen der Vergif—
tung, die nach dem ersten Abflauen noch Nieren und Nerven schädigen
kann und nicht selten bleibenden Schaden hinterläßt.
Ein achtjähriger Unabe, der vor zwei Wochen eine Diphtherie
überstanden hat, will die Nachbarskinder besuchen, trifft sie aber
nicht an. Er will sie erwarten, und die Nachbarin kümmert sich nicht
weiter um ihn. Bald sitzt er am Boden und beschäftigt sich damit,
in den dunklen, nicht sehr sauberen Ecken herumzustöbern, indem er
Papierschnitzel hervorsucht, sie anspeit und an die Wand zu kleben