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geben hierbei wohl andere soziale Umstände den Ausschlag. Daß
Wohnungsmangel zumal dadurch, daß dem von der Arbeit müde
heimkehrenden nicht die erforderliche Erholung zuteil wird, auch
zu einer vorzeitigen Verschiebung des nervösen Gleichgewichtes bei⸗
tragen kann, leuchtet ein. Geisteskrankheiten dagegen bauen sich
auf anderen Grundlagen auf. Besondere Verhältnisse werden zu⸗
weilen durch die Heimarbeit in einer Wohnung geschaffen. nNicht nur,
daß die verarbeiteten Stoffe durch ihre Ausdünstungen, durch Staub⸗
entwicklung die Luft erheblich verschlechtern, oft wird auch dieser
Nachteil noch durch die Unmöglichkeit einer genügenden Lufterneue—
tung, durch die überfüllung der Räume, durch eine lange Arbeits-⸗
dauer, durch die vornübergeneigte, die Atmung erschwerende Haltung
unterstrichen. Die heimarbeit, die außerordentlich verbreitet ist und
der im Deutschen Keiche etwa 1,4 vH der gesamten Bevölkerung ob⸗
liegt, die in vielen Gegenden von allen Ortseinwohnern betrieben
wird, kann bei den Kindern wesentliche Entwicklungsstörungen zur
Folge haben. Jedenfalls kann die Heimarbeit die gesundheitlichen
Nachteile einer Wohnung nicht nur erheblich verschlimmern, sondern
auch an sich schon eine gesunde Wohnung zu einer unhygienischen
machen. Der mit der hausindustrie nicht selten verbundene Lärm
kann bei dafür empfänglichen Personen zuweilen Unruhe, herzklop⸗
fen, auch Druck im RKopfe hervorrufen, während die meisten Men—
schen sich so an ihn gewöhnen, daß sie ihn geradezu entbehren, wenn
er einmal aussetzt.
Im vorhergehenden lernten wir die eigentlichen Wohnungs⸗
krankheiten kennen, deren Ursache in der Wohnung selbst zu suchen
ist. So entsteht die Blutarmut der Bewohner einer dunklen, feuchten
Wohnung unmittelbar aus dem schädlichen Einflusse der hier herr—
schenden Atmosphäre heraus, die dem Blute den zu seinem Gedeihen
nötigen Sauerstoff versagt. Sie kann nicht von einem Menschen
auf den andern übertragen werden; aber jeder ist der gleichen Gefahr
ausgesetzt, der in die Wohnung zieht.
Aber auch die anstechenden, die sog. Infektionskrankheiten,
können zur Wohnung in Beziehung treten. Ihre Entstehungsweise
ist aber eine ganz andere als die der eben erwähnten Blutarmut.
nähert man ein Stück Papier einem andern, brennenden, so wird
es sofort in hellen Flammen auflodern, es wird angesteckt. Und
geradeso kann ein gesunder Mensch, der mit einem anderen, an einer