Full text: Sammelband

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offenbart hat, der Schlüsselbund findet sich. Der Träumende kann 
sich auch nachträglich darauf besinnen, daß er ihn in Gedanken dort 
aufgehängt hat. Während aber sein Bewußtsein dieses Geschehnis 
vergessen hatte, bewahrte es das Unterbewußtsein auf und konnte 
es im Traume, als es zur Herrschaft gelangte, offenbaren. 
Wenn wir es nun auch, und zwar in erster Linie aus Beweis— 
mangel, ablehnen müssen, die weissagende Kraft der Träume in dem 
Sinne anzuerkennen, daß sie ein Creignis vorauskünden, dessen Ein⸗ 
tritt wir uns nicht auch im Wachen hätten erklären können, so müssen 
wir doch Hebbel recht geben, wenn er sagt: 
„Was dir begegnen wird, wie sollte der Traum es dir sagen? 
Was du tun wirst, das zeigt er schon eher dir an.“ 
Es kann tatsächlich vorkommen, daß ein Traum in unser Wach— 
leben eingreift, sei es, daß er uns durch Traumgefühle, die noch nach 
dem Erwachen verharren, in eine für unsere Entschlüsse und unser 
handeln bedeutungsvolle Stimmung versetzt, sei es, daß er uns unter⸗ 
bewußte Vorstellungen in das Gedächtnis zurückruft, die von Wert 
für die Beurteilung einer Lage sind. Das Traumleben ist eben 
im Grunde genommen eng mit unserm Wachleben verbunden, und 
wenn auch Übertreibung und Maßlosigkeit in ihm herrscht, so kann 
sich doch gelegentlich eine Lüche in unserm Tagesgedankenleben da— 
durch ausgleichen, daß Vorstellungen, die uns entfallen sind, im 
Traume aus dem Unterbewußtsein wieder dem Bewußtsein zuge— 
führt werden. 
Noch in einer hinsicht kann man von weissagenden Träumen 
sprechen: Es kommt vor, daß ein Traum oder eine bestimmte Art 
oon Träumen Schlüsse auf eine Krankheit zuläßt. 
Aristoteles erkannte zuerst, daß sich in einem Traume schon 
sehr frühzeitig eine Krankheit offenbaren kann, bevor der Körper 
noch Seichen davon aufweist. Auch die persischen ärzte des Mittel— 
alters, wie AliAbbas (f7 994), legten auf die Traumdiagnose großen 
Wert. Bekanntlich werden im Schlafe Keize empfunden, die so schwach 
sind, daß sie der Wachende gar nicht bemerkt. Es ist also möglich, 
daß die ersten Erscheinungen einer Krankheit sich bereits im Traume 
geltend machen, wenn sich der Wachende noch vollauf gesund 
fühlt. Wir erinnern an Saphirs Erlebnis, der, eines Abenos heim⸗ 
kehrend, sich selbst am Schreibtisch sitzen sah; kurz darauf brach das 
Nervenfieber bei ihm aus. Die Erscheinung war bereits durch die 
Krankheit bedingt und wahrscheinlich auf Fieberphantasien zurück—
	        
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