— 88 —
wird künstlich hergestellt. Es gibt Traumbücher, in denen neben
vielen Zusätzen von phantastischen oder raffinierten Verfassern doch
noch immer ein gut Teil Volksüberlieferung enthalten ist; es haben
sich mit der Zeit förmliche Wörterbücher herausgebildet, in denen
man den Inhalt seines Traumes, in einzelne Schlagwörter zerlegt,
erklärt findet. Aufs Geratewohl seien einige Deutungen, wie sie
im Volke noch üblich sind, herausgegriffen: Perlen bedeuten im
Traume Tränen, Cier: Streit, Läuse: Geld, Feuer mit hellen Slam—
men: große Freude, ein kleines Uind: ärgernis. Die weiße Farbe
gilt als todverkündend; in Böhmen ist es ein Zeichen für den nahen
Tod, wenn ein Kranker von einem Schimmel träumt.
In allen Ländern, in denen Lotto gespielt wird, werden die
Träume verwertet, um aus ihnen hinweise auf die zu setzenden Num—
mern zu erhalten. Die Buchstaben eines Wortes, das zum Traume
Beziehung hat, werden in Sahlen umgewanoͤelt. Es gibt Verzeich—
nisse zu kaufen, die jedem Lotteriespieler gute KRatschläge in dieser
Hinsich erteilen. In manchen Gegenden Osterreichs waren bis vor
kurzem die LCotterieeinnehmer zugleich Traumbuchhändler. Ein
Ministerialerlaß hat ihnen diesen Nebenerwerb versagt.
Beim Volke gelten als besonders bedeutsame Träume die in
der ersten Nacht nach Vollmond, die in der Weihnachtsnacht, ferner
die ersten Träume in einem fremden Bett, in einer neuen Wohnung.
In Schlesien soll der Traum in Erfüllung gehen, den man dreimal
hintereinander träumt, und im Erzgebirge darf man gute Träume
niemandem erzählen, da sie sich sonst nicht verwirklichen.
Der Glaube an die Träume und ihre weissagende Kraft ist aber
durchaus nicht auf das naive Volk beschränkt. KUuch in gebildeten
Kreisen hört man immer wieder wunderbare Berichte. Diesen Er—
zählungen gegenüber muß man zunächst ganz unparteiisch sein. Man
muß sich die Ereignisse, zu denen die Träume in Beziehung gesetzt
werden, nicht nur einmal, sondern mehreremal berichten lassen, wobei
sich dann oft schon die Unsicherheit der Grundlagen ergibt. Von
vornherein ist ein mißtrauen nicht zu umgehen, wenn von dem Traum
erst gesprochen wird, nachdem das vorausgesagte Ereignis eingetreten
ist; immer liegt in solchen Fällen die Wahrscheinlichkeit vor, daß
ein Zusammenhang erst künstlich aufgebaut wurde. Die Nachprüfung
von 100 angeblich weissagenden Träumen, die sich Lehmann be—
richten ließ, ergab in keinem Falle etwas Wunderbares.
Oft bildete der weissagende Traum nur die natürliche Solge