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erhöhen. Wenn Götz von Berlichingen dem Weislingen seinen
Traum erzählt: „mir war's heute nacht, ich gäb' dir meine rechte
eiserne Hand, und du hieltest mich so fest, daß sie aus den Armschienen
ging wie abgebrochen. Ich erschrak und wachte darüber auf. Ich
hätte nur fortträumen sollen, da würd' ich gesehen haben, wie du
mir eine neue, lebende Hand ansetztest,“ so geschieht das, um auf den
nahen Abfall Weislingens vorzubereiten.
Im Prolog zur „djungfrau von Orleans“ macht der Traum
Thibauts:
„Zu dreien Malen hab' ich sie gesehen
Zu Reims auf unsrer KRön'ge Stuhle sitzen“
die göttliche Sendung Johannas wahrscheinlicher.
Der Volksglaube, daß „schwere“ Träume, d. h. solche, die noch
nach dem Erwachen auf dem Träumenden lasten, ihn beschweren,
Unheil bedeuten, kommt zum UAusdruck in dem Anfange von Bür-
gers „Cenore“:
Cenore fuhr ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen:
Bist untreu, Wilhelm, oder tot?
Wie lange willst du säumen?“
Noch ungekünsteltere Worte verleiht diesem Gedanken das schöne
Dolkslied:
„Ich hab' die Nacht geträumet
Wohl einen schweren Traum,“
in dem es zum Schluß heißt:
„Was mag der Traum bedeuten —
Ach, CLiebsster, bist du tot 7“
wir wissen aus eigener Erfahrung, daß uns die Traumgefühle
bisweilen in den Tag hinein verfolgen, daß die Stimmung, die von
ihnen ausgeht, oft einen großen Einfluß auf unser Denken hat, nicht
selten auch auf unser handeln. Ist die Traumstimmung eine heitere,
so sind wir Optimisten, ist sie eine traurige, dann neigen wir dazu,
alles schärfer und pessimistischer anzusehen; es ist natürlich, daß wir
in solchen Stimmungen von unsern Lieben in der Ferne, von denen
wir lange nichts gehört, das Ungünstigste vermuten. Das Volk geht
aber noch einen Schritt weiter, indem es alle Träume, die sich ein—
prägen, auszulegen versucht, und dabei uralten Überlieferungen folgt.
Der Zusammenhang zwischen Traum und einem bestimmten Ereignis