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erzielt der einfache Reiz bei der Suggestion eine überraschend große
Wirkung. Dieses Mißverhältnis zwischen dem angewandten Reiz
und der erzielten Wirkung ist ein besonderes Kennzeichen der
zuggestion.
Zu den Grundbedingungen für die Entfaltung einer suggestiven
Beeinflussung gehört vor allem eine gewisse seelische Einstellung
der betreffenden Person. Jeder Mensch neigt dazu, ohne scharfe
Nachprüfung Vorstellungen von einem anderen zu übernehmen. So
sind für das Kind die Eltern unantastbare Autorität. Von ihnen
übernimmt es unbesehen fertige Urteile. Der Befehl: „Das mußt
du tun!“ löst fast automatisch die befohlene Hhandlung aus. Die
Macht der Autorität büßt für einen großen Teil der Menschen auch
im späteren Leben nichts von ihrer überzeugenden Kraft ein. Diese
bei jedem vorhandene 6 läubigkeit ermöglicht der Suggestion das
Cindringen in unsere Seele. Die weitgehende Beeinflußbarkeit der
meisten Menschen festzustellen, bietet sich überall Gelegenheit. Sage
ich beispielsweise in einer Gesellschaft einer Dame in bestimmtem,
ruhigem Ton: „Sie werden ja plötzlich ganz rot!“, so kann ich fast
immer feststellen, wie augenblicklich eine flammende Röte ihr Ge⸗
sicht überzieht. Es ist allgemein bekannt, daß Gähnen oder Lachen
zur Nachahmung veranlaßt. Auch in unseren Stimmungen sind
wir außerordentlich abhängig von unserer Umgebung. In einem
gelangweilten Kreife erscheint ein froher, heiterer Mensch. Erstaunt
beobachten wir, wie er durch seine munteren und lustigen Reden fast
augenblicklich einen Stimmungsumschlag herbeiführt. Bald lacht
alles und ist guter Dinge. Hier handelt es sich um echte fuggestive
Ubertragung von Vorstellungen und Gefühlen. Ferner zeigt die
Beobachtung noch, daß im Zustande der Zerstreutheit, den man
besser als Zustand mit einseitiger Einstellung der Aufmerksamkeit
bezeichnete, ECindrücke in unsere Seele gelangen können, ohne von
unserem Bewußtsein erfaßt zu werden. So kann der zerstreute Pro—
fessor auf der Straße einen Gruß erwidern, ohne daß er selbst sich
darüber Kechenschaft gibt und ohne daß er sich später daran erin—
nert. Auch der stark Berauschte kann ohne klares Bewußtsein
zweckmäßig handeln. Er findet seinen Weg nach Hause, schließt
seine Tür auf und legt sich zu Bett.
Diese Tatsachen erbringen den Beweis dafür, daß es neben dem
von unserer Aufmerksamkeit bewachten Eingang in unsere Seele