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fehlt, gibt es eine weitverbreitete Art, die den Träumenden gewöhn⸗
lich in außerordentliche Verlegenheit versetzt. Es sind das die sog.
Hacktheitsträume. Die Grundvorstellung, in ungenügender Be—
zleidung sich öffentlich zu zeigen, ist überall gleich; nur die Neben⸗
vorstellungen richten sich gewöhnlich nach den Lebensumständen oder
dem Berufe des Träumenden. Der Offizier sieht sich im hemd auf
den Cxrerzierplatz versetzt, der Prediger auf die Kanzel vor ver⸗
sammelter Gemeinde, der Lehrer in die Schulklasse vor der Jugend,
das junge Mädchen im Nachtgewande in den Tanzsaal. Man wird
sich der Mangelhaftigkeit seiner Kleidung erst bewußt, wenn man eine
ganze Weile sich in der Gesellschaft anderer bewegt hat; ein peinliches
Derlegenheitsgefühl tritt auf, man sieht aber keine Möglichkeit, sich
der Lage zu entziehen oder dem Mangel abzuhelfen. Dabei scheinen
oft, aber durchaus nicht immer, unsere Gegenüber nichts von unserer
berlegenheit zu merken.
Diese Träume, deren Grundlage übrigens von Andersen in
seinem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ und von Fulda in
seinem „Talisman“ verwertet wurde, haben eine sehr natürliche Ur⸗
jache. Sie sind echte Sinnesträume und werden in der Kegel dadurch
ausgelöst, daß infolge einer plötzlichen Bewegung des Schlafenden oder
herabrutschens der Decke ein Glied unseres Körpers bloßgelegt und
abgekühlt wird. Dieser Sinnesreiz wird mit der Vorstellung einer
ungenügenden Bekleidung verbunden und mit hilfe von Assozia—
lionen weiter ausgearbeitet.
Als typische Träume sind auch die sexuellen zu betrachten,
die besonders häufig in der Reifezeit sind und dann im späteren
Leben allmählich seltener werden. In der Keifezeit wirken die ersten
Geschlechtsgefühle als Sinnesreize und geben Anlaß zu den phanta—
sievollsten Träumen; sie sind um so phantasievoller, je unbewußter
sich das Leben des Träumenden bisher abgespielt hat. Die geschlecht—
lichen Vorstellungen machen dabei vor keiner Grenze halt, und sie
derfolgen den Träumenden oft noch bis ins Wachen hinein, ihn aufs
äußerste peinigend. In die Träume der heranwachsenden mischen
sich nicht selten ungewöhnliche Vorstellungen; Wedekinds Beobach—
tung in „Frühlings Erwachen“ erscheint durchaus lebenswahr: „Ver⸗
gangenen Winter träumte mir einmal, ich hätte unsern Lolo so lange
gepeitscht, bis er kein Glied mehr rühren konnte. Das war das
Brauenhafteste, was ich je geträumt habe.“
Ins Krankhafte gehen die sexuellen Träume über, wenn sie