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liegt. Dieser Traum bildet immer einen Triumph für den Träu—
menden; er wird stets Gelegenheit haben, seinen Peinigern deutlich zu
machen, daß er sie ja gar nicht mehr nötig und das Examen längst
bestanden hat. Charakteristisch für den Traum ist auch, daß der Träu—
mende während der Prüfung gewöhnlich mit dem ditel angeredet
wird, zu dessen schließlicher Crlangung ihr Bestehen Vorbedingung ist.
Sreud deutet den Cxamenstraum als Trosttraum. Nach seiner
Erfahrung, die ich nicht bestätigen kann, kehrt er hauptsächlich dann
wieder, wenn am folgenden Tage irgendeine außerordentliche
Leistung von uns erwartet wird; es wird nun aus der Vergangenheit
eine Gelegenheit herausgesucht, bei der sich die Angst als unberech—
tigt erwies und durch den Husgang widerlegt wurde. Der Trost
liegt dann schließlich in dem Einwande des Träumenden, daß er die
Prüfung längst bestanden habe.
Man kann sich den Prüfungstraum aber auch dadurch verständ—⸗
lich machen, daß man ihn als Berufstraum auffaßt. Wie mancher
— ich erinnere an den Koseggerschen Traum aus seiner Schneiderzeit
— träumt von seiner Lehrzeit, als einer Epoche, die sich mit hartem
Stempel dem Leben aufgeprägt hat. Dieser Zeit fehlt aber ein Ab⸗
schluß, wie er in Gestalt der Prüfung bei der Lehrzeit des Akade—
mikers vorhanden ist, und während hier die ganze Erinnerung in
einem Cage gipfelt, verteilt sie sich dort auf die ganze Seitspanne.
Das kommt auch beim Träumen in dem Unterschied der Erinne—
rungsvorstellungen zum Husdruck.
Uurz seien auch als häufig wiederkehrend die Träume erwähnt,
in denen wir uns mit Verstorbenen unterhalten. Man träumt
von diesen gewöhnlich erst dann, wenn einige Seit seit ihrem Tode
verflossen ist. Aber dann stehen sich in der Kegel zwei Erinnerungs—
vorstellungen gegensätzlich gegenüber: die eine sieht den Toten, wie
er im Leben war, die andere weiß, daß er nicht mehr lebt. Nicht
selten erreicht der Traum die Vereinigung dieser beiden entgegen—
gesetzten Vorstellungen: wir unterhalten uns mit dem Toten wie in
früherer Seit, als er noch unter den Lebenden weilte, wissen aber
dabei recht gut, daß er nicht mehr lebt. Das kann so weit gehen, daß,
wie ich in einem solchen Salle träumte, ein Leichenzug vorüberzieht,
der Cote sich verabschiedet, und seinen eigenen Leichenwagen besteigt,
um sich zur Bestattung fahren zu lassen.
Während bei den genannten typischen Träumen, vielleicht ab⸗
gesehen von den Fallträumen, ein peinliches Moment gewöhnlich