69
bemerklich. Tertullian glaubte, daß das Frühjahr zu ruhigen,
der herbst zu leidenschaftlichen Träumen geneigt mache. Fombroso
nimmt eine besondere Witterungsempfindlichkeit im Menschen an.
Das mag in erster Linie für den Komanen gelten. Der Schirokko,
jener heiße, von der Wüste kommende Wind, versetzt in eine reizbare
Stimmung Auch bei uns sind Witterungseinflüsse unverkennbar.
In Gewitternächten sind alporuckartige Träume häufiger als sonst.
Nervöse, Rheumatiker und andere Kranke klagen über zuneh—
mende Beschwerden bei jedem Witterungswechsel. Besonders fühlen
Greise Verschlimmerung all ihrer, oft nur auf Alterserscheinungen
beruhenden Leiden. Tiefer Barometerstand macht uns betrübt, hoher
versetzt uns in freudige Stimmung. All das kommt auch im Traum
zum Kusdruck; sein Charakter ist also in gewisser Beziehung auch
bom Wetter abhängig.
Es sei hier noch auf eine ganz besondere Art von Sinnesreiz—
träumen hingewiesen; das sind jene, die im Augenblick des Er—
wachens zustandekommen. Diese Cräume sind anscheinend häufiger,
als man gewöhnlich anzunehmen pflegt. Ein Beispiel, das uns Leh⸗
mann erzählt, mag uns zunächst über ihre Natur unterrichten. Ein
Gutsbesitzer war beim Lesen im Bett eingeschlafen. Da träumte er,
daß sich ein Bandit, mit einem Gewehr bewaffnet, ins Zimmer schleiche
und auf ihn anlege. Der Dieb drückt ab, der Träumende hört den
Sschuß fallen, erwacht aber in demselben Augenblick und vernimmt,
wie die Lampe auf seinem Nachttisch mit lautem Rnall erplodiert.
hier hat also anscheinend der grobe Keiz, den die explodierende
Campe mit ihrem Knall auf das Gehörorgan ausübte, der so stark
war, daß er den Schläfer erweckte, die Traumvorstellung hervor—
gerufen. Im Traume fehlt völlig jede Zeitorientierung; wie uns
schon im Wachen Augenblicke höchster Spannung endlos erscheinen,
und Momente, in denen ein Menschenleben in Gefahr schwebt, oft
den Teilnehmern als Viertelstunden vorkommen, so kann auch im
Traume eine Sekunde sich für unsere Einbildung unendlich aus⸗
dehnen. Gewöhnlich ist die Crinnerung an einen Traum summarisch;
die Reihenfolge der Ereignisse ist oft verwischt, was zuletzt geträumt
wurde, wird auf einen früheren Zeitpunkt verschoben, so daß es
sehr gut möglich ist, daß bei plötzlich unterbrochenem Schlaf der Keiz
Dorstellungen auslöst, die uns ihm zeitlich voranzugehen scheinen.
Die nervösen Zentren unseres Gehirns arbeiten blitzschnell. Auch im
Wachen kann in einem Augenblick ein ganzer Roman in unserer