Full text: Sammelband

stande, den Charakter der Träume zu beeinflussen; je mehr die Er⸗ 
ziehung auf einen Menschen eingewirkt hat, desto mehr wird er 
sich in seinen Träumen von dem Wachzustand entfernen; Rinder, 
daneben auch Geisteskranke, nehmen ihre Träume ja in der Regel 
aus den Vorstellungen des Tages. Auch die Temperamente 
dürfen nicht unbeachtet bei der Betrachtung von Träumen bleiben; 
Sanguiniker sollen zu lebhaften Träumen neigen. In „Viel Lärm 
um nichts“ sagt Leonato von der von heiterkeit und Übermut über— 
sprudelnder Beatrice: „Sie ist nur ernsthaft, wenn sie schläft, und 
auch dann nicht immer; denn meine Tochter erzählt mir, daß sie oft 
tolles Zeug träumt und vor Lachen aufwacht.“ 
Daß aber auch Lebensgewohnheiten großen Einfluß auf 
die Träume haben, geht daraus hervor, daß nicht selten zwei Che— 
gatten ähnlich träumen. Einerseits haben sich ihre Gedankengänge 
einander angepaßt, andererseits aber trägt, zumal bei nächtlichem 
Aufschrechken, leicht ein von einem Teil hingeworfenes Wort dazu bei, 
dem andern Teil, dem vielleicht in seinem Traume keine ähnlichkeit 
mit dem des anderen aufgefallen war, eine solche einzureden, wobei 
vorauszufetzen ist, daß die Grundlagen gleich gewesen sind. Oft ist 
auch der auslösende Keiz bei Ehegatten gleich. Nicht selten geben 
3. B. zwei Ehegatten an, von demselben Verstorbenen geträumt zu 
haben. Dann ist gewöhnlich festzustellen, daß sie beide am Tage vor—⸗ 
her an ihn in irgendeiner Form gedacht haben. 
Immer kann man den Schluß machen, daß zwei Personen, die oft 
ähnlich träumen, auch in ihren Charakteren viele ähnlichkeiten haben. 
Daß die Träume in mancher Beziehung auch von der Rassen- 
angehörigkeit des Träumenden abhängig sein können, leuchtet 
ein. Jede Kasse hat ihre eigenen Lebensgewohnheiten und ihre be— 
vorzugten Anlagen, die sich sehr wohl in Träumen ausprägen können. 
In dieser Hinsicht ist vielleicht die Poesie eines Volkes auch der Spiegel 
seiner Träume. Der Orientale wird phantasievoller träumen als 
der Nordländer, der RKomane heiterer als der Slawe. Nicht un⸗ 
wesentlich ist, wie für die ganze Rasse, so auch für die Träume, das 
Klima des Landes. Zweifellos prägt auch die Mitternachtssonne der 
Traumwelt aller derer, die in ihrem Bereich wohnen, ihren Stempel 
auf, wie sie nicht nur in der Dichtung, sondern auch in der Musik des 
Nordens ihren Ausdruck findet. 
Soviel ist sicher, daß der Mensch in seinen Gefühlen erheblich 
vom Wetter beeinflußt wird; es macht sich auch in seinen Träumen
	        
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