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die im Dunkeln auftreten und in Gestalt von allerlei farbigen Flecken
vorbeiziehen (Eigenlicht der Netzhaut). Wahrscheinlich beruhen sie
auf einem Wechsel zwischen Blutandrang und Blutarmut der Netz—
und Aderhautgefäße; bei einem so empfindlichen Organ, wie es die
Netzhaut ist, in der sich die Endigungen des Sehnerven in verwickel-
tester Weise ausbreiten, genügt schon ein solcher Keiz, um eine Emp—
findung hervorzurufen. Die eigenen Lichtempfindungen im Auge
sind von größter Wichtigkeit für die Entstehung von Träumen. Der
bekannte Physiologe Johannes Müller hat in ihnen sogar die ein⸗
zige Grundlage der Träume gesehen: „Die Traumbilder sind nichts
anderes, als die leuchtenden Phantasmen, welche vor dem Cinschlafen
bei geschlossenem Auge in der Sehsinnsubstanz erscheinen.“
Das Gehörorgan ist im Schlafe nicht durch einen ähnlichen
Herschluß wie die Augen vor den Eindrücken der Außenwelt geschützt.
Manchmal liegt der Schläfer auf einem Ohr und schaltet es auf diese
Weise aus; dann ist aber immer noch das andere da, um Keize auf—
zunehmen. Diese äußeren Gehöreindrücke spielen nun bei der Ent—
stehung der Träume eine bei weitem größere Rolle als die äußeren
Gesichtseindrücke. Nie ist es so still in der Nacht, daß nicht doch ein⸗
mal Geräusche zu dem Schläfer dringen sollten. Das trocknende Holz
hder Möbel knackt, der Wind heult an den vorspringenden Ecken der
häuser, er bewegt Kolläden, singt in den Kaminen, drückt gegen
Türen und Fenster, der Kegen trommelt gegen die Scheiben; auch
das Geräusch der Straße gelangt nicht selten zu den Ohren des
dchlafenden.
Dadurch, daß man kleine Steinchen an das Fenster warf, ge—
lang es, in dem Schläfer den Traum eines Gefechtes mit Gewehr—
feuer zu erzeugen. Ellis träumte einst, einer Aufführung von
haydns Schöpfung beizuwohnen. Plötzlich wurde vom Orchester sehr
reglistisch Vogelgesang wiedergegeben; er erwachte und hörte den
Kanarienvogel im Nebenzimmer singen! Der anschwellende Gesang
des Vogels wirkte erst als Traumreiz, dann als Weckreiz.
Ich selbst wohnte einst in einem alten hause, wo der Wind in
dem Kamin leise heulte, und träumte, daß mir auf der Geige ein
sehr melodiöses Menuett vorgespielt würde, das sich durch viele Wie—
derholungen so einprägte, daß ich es unmittelbar nach dem Erwachen
nachpfeifen konnte. Eine Viertelstunde später war es aus dem Ge—
dächtnis perschwunden.