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lichen Schmerz im Traum empfinoͤet. Immerhin ist es bemerkens⸗
wert, daß die meisten körperlichen Angriffe, die man im Traume zu
erdulden hat, schmerzlos verlaufen. Wir haben zwar das allgemeine
Gefühl der Angst, erleben aber zuweilen selbst chirurgische Opera-
tionen, die uns keinerlei Schmerz bereiten.
Geruchs- und Geschmacksträume sind selten. Wie die
beiden Sinne, die ja gern von uns Kulturmenschen als untergeord—
net betrachtet werden, während sie bei Naturvölkern noch nicht
ihre ursprüngliche Bedeutung eingebüßt haben, in nahen Beziehungen
zueinander stehen, so kommen auch nicht selten Geschmacks- und Ge⸗
ruchsvorstellungen zusammen in einem Traume vor. Ich selbst hatte
einmal einen reinen Geschmackstraum: ich glaubte, bittere Beeren
genossen zu haben, und trotz lüchenhafter Traumerinnerung war die
Vorstellung so stark, daß ich, von dem bittern Geschmack aufwachend.,
ausspie und ausrief: „Pfui, diese bittern Beeren!“
Während nun im Wachen unsere Vorstellungen durch den
Willen gelenkt werden, tritt dieser im Traume zurück. Wir
können durch den Willen nicht den geringsten Einfluß auf den Ver—
lauf des Traumes ausüben, können ihn nicht willkürlich abschließen.
Unsere Muskeln gehorchen dem Willen nicht wie am Tage. Damit ist
aber nicht gesagt, daß der Wille völlig ausgeschaltet sei. Willens—
äußerungen kommen im Traume vielfach vor; gewöhnlich bleibt es
allerdings beim Wollen, ein Erfolg tritt nicht ein. Wie oft befindet
man sich im Traume in Gefahr: man wird überfallen von räube—
rischem Gesindel, sieht in der Ferne vertrauenerweckende Menschen
vorübergehen und möchte sich ihnen bemerklich machen. Man ver—
sucht, um hilfe zu rufen, aber kein Ton dringt aus der Kehle. Die
Willensäußerung kann so stark werden, daß man davon erwacht und
dann womöglich noch einen krampfhaften Schrei ausstößt. Oder man
liegt, durch irgendeine Ursache gezwungen, auf den Eisenbahnschienen,
möchte sich vor dem heranbrausenden Sug erheben, aber man kann
kein Glied rühren, obwohl niemand uns daran zu hindern sucht.
Eine besonders interessante Art von Willensäußerungen im
Traume hat Kraepelin syustematisch bearbeitet. Das sind die,
dielen Menschen aus eigener Erfahrung bekannten, Sprachäuße⸗
rungen. Oft bleibt uns nach dem Erwachen noch irgendein, oft
sinnloses Wort oder ein Satzbruchstück im Gedächtnis haften, das uns
im Traume gar nicht so unsinnig erschienen ist. Diese Sprachstörungen
können verschiedener Art sein. Zum Beispiel kann die Wortfindung