Full text: Sammelband

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länger wachbleiben, so werden gern gewisse Kunstgriffe angewandt, die 
den Schlaf herbeiführen sollen. Der beliebteste ist wohl das Zäh— 
len von 1- 100 und weiter; es hat gewöhnlich den Erfolg, daß die Auf— 
merksamkeit von allen beunruhigenden Gedanken abgelenkt und 
auf die Sahlen beschränkt wird, deren Aussagen oder Vorstellen 
etwas sehr Langweiliges an sich hat. CLangeweile aber macht schläfrig. 
Sie versenkt uns in eine gewisse Cinförmigkeit des Gedankeninhalts, 
die der Ausschaltung der Sinnesreize ziemlich nahe kommt. Die 
Cangeweile und durch sie der Schlaf kann auch durch rhythmisch 
wiederholte Geräusche hervorgerufen werden. Der Talmud empfiehlt 
das gleichmäßige Geräusch, das durch das regelmäßige Fallen von 
Wassertropfen auf Blechplatten erzeugt wird. Jean Paul rät, sich 
einförmige Bilder vorzustellen, wie Blumen, die in endloser Kette 
in einen Abgrund versinken, oder ein von sanften Winden bewegtes, 
hin und her wogendes Kornfeld. 
Bekannt ist der Vorschlag von Kant, den Schlaf dadurch her— 
beizuführen, daß man seine Gedanken auf irgendein gleichgültiges 
Objekt, z. B. den Namen Cicero, richtet und alle Nebengedanken aus— 
schaltet. Das vermag aber nur ein Mensch, der seine Gedanken so 
in der Gewalt hat, wie der berühmte Philosoph. überhaupt muß 
man sich bei allen diesen Vorschlägen sagen, daß sich eins nicht für 
alle schickt. Jeder rege geistig Arbeitende hat sich vielleicht schon 
sein eigenes Verfahren gebildet, das nur bei ihm anschlägt. 
Ganz wesentlichen Einfluß auf den Eintritt des Schlafes kann 
aber die Autosuggestion haben; der feste Wille einzuschlafen kann 
tatsächlich von solcher Wirkung sein, daß alle andern, den Schlaf 
hemmenden Gedankengänge zurücktreten und der Wille gewisser— 
maßen, wie es in der Sportsprache heißt, der Schrittmacher für den 
Sschlaf ist. Wie weit solcher „Selbstbesehl“, oft „Selbstbetrug“, gehen 
kann, ersehen wir aus einer Schilderung von Scholtz. Eine Patientin 
mit leichten asthmatischen Anfällen hatte eine solche Furcht vor diesen, 
daß sie schon aus diesem Grunde nicht schlafen konnte. Auf wieder— 
holtes Drängen verschrieb der Arzt ihr ein Schlafmittel, gab ihr aber 
die bestimmte Weisung, es nur zu nehmen, wenn es dringend erfor⸗ 
derlich wäre; es würde dann auch, so versicherte er ihr, bestimmt 
helfen. Seitdem schlief die Patientin ungestört; das Schlafpulver 
aber hatte sie nie genommen, sondern war durch das Bewußtsein, 
es in der Nähe zu haben, so beruhigt, daß die Furcht vor den An⸗ 
fällen ganz in den hintergrund trat und der Schlaf von selbst kam.
	        
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