Nervenfasern nicht eine Leitung im Sinne eines RKupferdrahts sind,
den der elektrische Funke durcheilt und der nichts als Mittel zum
Zweck ist. Dieser Vergleich wurde nur gebraucht, um ein besseres
Verständnis der Vorgänge zu vermitteln. Die Nervenzellen und
ihre Bestandteile, in erster Linie also die Nervenfasern, sind lebende
Substanz, und die Fortleitung eines Sinnesreizes geschieht nur in—
folge einer Arbeitsleistung der Zelle selbst. Da aber alle Tätigkeit
in den Sellen auf chemischen Umsetzungen beruht, so leuchtet es ein,
daß sie nur aufrechterhalten werden kann, wenn ein regelmäßiger
„Stoffwechsel“ stattfindet, d. h. wenn die verbrauchten Stoffe durch
frische ersetzt und die Serfallsprodukte fortgeschafft werden. Es läßt
sich nun aber ganz gut denken, daß es einen Augenblick gibt, wo
dieser Ersatz nicht mehr genügt, wo die verbrauchten Stoffe sich in den
Sellen anhäufen und die Sellen belasten; das merken wir daran, daß
sie nicht mehr wie sonst arbeiten, und daß Erscheinungen auftreten,
die wir unter dem Namen Ermüdung zusammenfassen. Besonders
auffällig ist das an den Nervenzellen, die nicht mehr so aufnahme—
fähig für Sinnesreize sind wie sonst.
Die Denkarbeit läßt nach; das gibt sich darin kund, daß wir
nicht mehr unsere Gedanken so leiten können, wie wir wollen, daß
wir „zerstreut“ sind. Die Sellen sehnen sich nach einer Auffrischung,
nach Ersatzstoffen. Das macht sich äußerlich in einem Sauerstoffhunger
geltend, in vertieften Atemzügen, die möglichst viel Sauerstoff dem
Körper zuführen sollen: wir gähnen. Wie die Versuche des Bonner
Physiologen Verworn lehren, ist Sauerstoff das einzige Mittel,
um ermüdete Nervenzellen wieder arbeitsfähig zu machen.
Die Zerfallsprodukte des Stoffwechsels, die sich in den Zellen
anhäufen, bezeichnet man auch als Ermüdungsstoffe. Pflüger
machte die Kohlensäure, das hauptzersetzungsprodukt unseres Kör⸗
pers, Preyer die Milchsäure, die sich bei allen Umsetzungen in
lebenden Sellen abspaltet, für die Ermüdung verantwortlich. Aber
auch diese Annahmen ließen sich nicht aufrechterhalten.
Näher kamen der Lösung der Frage zwei französische Forscher,
Piéron und Legendre; sie haben hunde tagelang am Schlafen
verhindert und dadurch so müde gemacht, daß sie weder gehen noch
stehen konnten. Diese in einen dauernden Zustand von Ermüdung
versetzten Hunde wurden getötet; ihr Gehirn wurde zerquetscht
und die erhaltene Flüssigkeit gesunden, nicht ermüdeten hunden in
die hirnhöhlen gespritzt. Es traten nun ganz ausgesprochene Er—⸗