Full text: Sammelband

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nicht mit ber Annahme einer göttlichen Schickung zufrieden gaben, 
wußten sich dennoch nicht von dem alten Volksglauben loszumachen, 
daß die Seele während des Schlafes den Körper verlasse. Strato 
betrachtete den Schlaf als eine Zurückziehung der Seele, und ähnliche 
Ansichten finden sich in vereinzelten Philosophenschulen bis in un— 
sere ZSeit hinein. 
Die Versuche, dem Wesen des Schlafs auf dem Wege der Natur⸗ 
wissenschaft näherzukommen, fallen sämtlich in die Neuzeit. Haben 
es doch erst neuere Forschungen möglich gemacht, die Vorgänge, die 
sich im Zentralorgan unseres Nervensystems abspielen, zu verstehen. 
Alle Beobachtungen aber, die man an Schlafenden anstellte, wiesen 
darauf hin, daß das Gehirn von allen Organen des menschlichen 
Körpers am meisten am Eintritt des Schlafes beteiligt sein müsse. 
Wir wollen uns hier kurz die Hauptverrichtungen des Nervensystems 
ins Gedächtnis rufen.?*) 
Deraͤndert sich die Umgebung unseres Rörpers in merklicher 
Welse, findet eine Abkühlung oder Erhitzung statt, so empfinden wir 
das als einen Reiz; fällt z. B. auf unsern ausgestreckten Finger 
ein Tropfen heißen Stearins, so nimmt der Finger diesen Reiz auf. 
Die in seiner Haut verteilten unzähligen feinsten Nervenendigungen 
geben ihn weiter. Wie der elektrische Funke beim Telegraphieren 
den Kupferdraht durcheilt, so leitet auch die Nervenfaser, die mit 
den Nervenendigungen in Verbindung steht, den Keiz fort zum 
Rückenmark. hier endigt zunächst die Nervenfaser, die der Bestand⸗ 
teil einer Nervenzelle ist. Aber sogleich ist eine andere aufgefaserte 
Zelle zur Stelle, um, vergleichbar einer Umschaltstelle, nun den Reiz 
aufzunehmen und weiterzuleiten. Die Faser verläuft im hinterhorn 
des Rückenmarks nach aufwärts, tritt dann im verlängerten Mark 
auf die entgegengesetzte Gehirnseite, in deren Kinde sie endigt. Eine 
abermalige Umschaltung bringt den Reiz nun zu einer Nervenzelle, 
die ihn verarbeitet. Sie steht durch sogen. Assoziationsfasern 
in Verbindung mit den verschiedensten Teilen der Großhirnrinde; 
wie bei einer Telephonzentrale mit automatischer Umschaltung geht 
es zu, der Reiz wird nach allen Seiten hin mitgeteilt, und der Er⸗ 
folg dieser Verbreitung und der daran anschließenden Verarbeitung 
ist eine Gedankenreihe, die zunächst das praktische Ergebnis hat, daß 
auf dem schnellsten Wege Vorkehrungen getroffen werden, um eine 
*y Siehe Müũüller, Das Gedächtnis. Rosmos-⸗Verlag. Geh. M 12656.
	        
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