Full text: Sammelband

Zufluß von Verdauungssäften in den Darm ist ebenfalls ein⸗ 
geschränkt, jedoch durchaus nicht aufgehoben. Auch das weiß jeder 
aus eigener Erfahrung. Die Füllung der Blase oder des Mastdarms 
kann während des Schlafes einen Grad erreichen, der das Erwachen 
bedingt. 
haben wir bisher gesehen, daß die rein körperliche Tätigkeit 
wãährend des Schlafes durchaus nicht aufgehoben, sondern nur herab— 
gesetzt ist, so gilt dasselbe auch vom Nervensystem. Kitzelt man 
einen Schlafenden, so macht er abwehrende Bewegungen; entblößt 
man ihn, so daß ihn eine Kälteempfindung trifft, so bedeckt er die 
betroffene Körperstelle; bringt man einen Körperteil in eine un⸗ 
bequeme Lage, so sucht er die frühere Stellung wiederherzustellen. 
Alle diese Bewegungen erfolgen aber später und langsamer als beim 
Wachen. Offnet man dem Schlafenden gewaltsam die Augen, so sieht 
man, daß die Augäpfel nach innen und etwas nach oben gedreht 
sind; aber die Pupillen, die Sehlöcher, verengern sich wie beim 
Wachenden, nur etwas langsamer, sobald Licht auf sie fällt. Alle diese 
Erscheinungen beweisen, daß das Nervensystem sehr wohl imstande 
ist, während des Schlafes Cindrücke zu empfangen und weiterzuleiten. 
Ungestört ist im Schlafe auch die Fähigkeit, das körperliche 
Gleichgewicht zu erhalten, die auf dem Zusammenwirken vieler 
vom Gehirn gelenkter Muskeln und Nerven beruht. Oft sieht man 
T man braucht nur den nächsten Droschkenhalteplatz aufzusuchen — 
Kutscher, die in ganz unwahrscheinlichen Lagen auf dem Bocke ein— 
geschlafen sind. Ja, selbst fahrenden Fuhrwerken begegnet man 
immer wieder auf den Landstraßen, deren Lenker sorglos einge— 
schlummert ist und sein Schichksal den 5ugtieren anvertraut hat. In 
den südlichen Küstenstädten sieht man zu allen Tageszeiten junge 
Burschen auf der Uferböschung schlafen, während nur wenige Zenti⸗ 
meter von ihnen sich die Mauer 10 bis 15 Meter tief ins Meer herab⸗ 
senkt; und doch fällt niemand hinunter. 
Sinnesreize werden auch im Schlafe vom Gehirn auf—⸗ 
genommen, sofern sie eine bestimmte Stärke haben. Dieser Umstand 
hat uns wertvolle Aufschlüsse über die Tiefe unseres Schlafes ver— 
mittelt. Man weiß aus eigener Erfahrung, daß man nicht immer 
durch die gleichen Keize aus dem Schlafe erweckt werden kann. 
MNanchmal genügt nur ganz leises Pochen an der Tür; oft aber ist 
kräftiges und anhaltendes Klopfen nötig. Es bedarf also verschieden 
starker Reize; mit anderen Worten: der Reiz muß eine gewisse
	        
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