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Das Volk erkennt die Macht des Schlafes in noch weitergehendem
Maße als die Dichtung an. Vielfach läßt man, ehe man einen irgend⸗
wie bedeutungsvollen Entschluß faßt, mindestens eine Nacht vor⸗
übergehen und glaubt fest daran, daß ein Plan, wenn er zum heile
ausschlagen soll, „beschlafen“ werden muß.
Wie der Mensch, so sind auch die Tiere zum großen Teil dem
Schlaf unterworfen. Wir wissen alle aus eigener Erfahrung, daß
die Haustiere schlafen, ja, daß einige von ihnen, wie der Hund, ein
ganz ausgiebiges Schlafbedürfnis haben. Auch die Vögel schlafen,
wie wir an den Insassen des Geflügelhofes und an den Stubenvögeln
täglich sehen können. Brehm berichtet, daß wild eingefangene Edel⸗
falken dadurch gefügig gemacht und gezähmt werden, daß man sie
mehrere Nächte durch fortwährendes Schaukeln an schwebenden
Keifen am Schlafen verhindert. Auch Fische, Amphibien, Reptilien,
ferner Insekten, Krustentiere, Weichtiere sollen schlafen; der ge⸗
naue Nachweis, ob der Ruhezustand, in den die letztgenannten TCier—
klassen versinken, wirklich unserem Schlaf entspricht, sehlt allerdings
noch, wird auch schwer zu erbringen sein.
Jedenfalls finden wir bei allen Cieren mit höher ausgebildetem
Nervensystem den Schlaf; alles deutet darauf hin, daß wir die Fähig⸗
keit zu schlafen bei ihnen als den Ausdruck höherer Leistungsfähig⸗
keit auffassen müssen. Dadurch aber, daß die Tiere sich in bezug auf
den Schlaf ähnlich wie der Mensch verhalten, ist der Phnysiologe in
den Stand gesetzt, gewisse Ergebnisse der experimentellen Forschung,
die an Tieren gewonnen wurden, auch auf den Menschen zu über—
tragen. Auf Tierversuche war man angewiesen, wenn man eine
Aufklärung darüber haben wollte, was denn im Grunde der Schlaf
für das Leben bedeute. Zwar weiß man aus eigener Erfahrung, wie
wichtig es für die ganze menschliche Tätigkeit ist, gut geschlafen zu
haben, wie unangenehm oft schon die Folgen einer einzigen durch⸗
wachten Nacht empfunden werden. Die Angabe, daß man früher in
China Verbrecher durch ständiges Verhindern am Einschlafen zu töten
pflegte, ist zwar ins Keich der Fabel zu verweisen. Es liegt aber
durchaus im Bereiche der Möglichkeit, einen Menschen auf diese Weise
zu töten Wie die Versuche der Frau de Manasseine lehren, sind
drei⸗e bis viermonatige Hunde, die man am Schlafen hindert, schon
nach wenigen Tagen dem Tode verfallen. Tiere vertragen hungern
besser als Schlaflosigkeit. Die Hungerkünstler haben uns bewiesen,
daß unter günstigen Umständen ein dreißigtägiges Hungern ohne