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uns den „Kartoffelbrotgeist“ einflößte. Diese neue Art der Haltbar⸗
machung der Kartoffel hat seit 1903, wo sich drei Trocknereien mit
ihr beschäftigten, große Fortschritte gemacht; gegenwärtig sind 721
im Betrieb; sie können 3 Millionen Tonnen Kartoffeln vor dem Ver—
derben retten.
Der peinlichwißbegierige Leser wird nun mit Kecht fragen, wie⸗
so nach diesen großen Kartoffelerträgen plötzlich eine Kartoffelknapp⸗
heit eintreten konnte. Die Kartoffelknappheit von 1916/17 hat neben
Ursachen, die sich menschlicher Voraussicht entziehen (Witterungsein⸗
flüsse, Beförderungsschwierighkeiten usw.), gewissermaßen optische
Gründe. Die Kartoffel ist eine unterirdisch wachsende Knolle, deren
Ertrag auf dem Felde daher schwer festzustellen ist, sie wird dann in
Mieten aus Erde aufbewahrt, in die man gleichfalls nicht hinein⸗
sehen kann. Unsere Behörden haben aber auch den Ertrag von 1916
zweifellos mit dem Vergrößerungsglas betrachtet und den Preis für
die Kartoffel unter Anwendung eines Verkleinerungsglases festge—
setzt; er war so niedrig bemessen, daß die Kartoffel das billigste Fut—
termittel darstellte und statt auf den Eßtisch in den Futtertrog wan⸗
derte. FSür den Eßtisch brauchten wir in Friedenszeiten (1913) jähr⸗
lich 314 kKg auf den Ropf, die Osterreicher 439 kg, die Sranzosen
328 kg, Ungarn 257 &g, Russen 240 Kg, Amerikaner 91 Kg, Ita-
liener 52 kg. Von unserer Kartoffelernte müssen wir, bei der Knapp⸗
heit anderer Nahrungsmittel, 18 Millionen Tonnen, d. i. ein Drittel,
für menschliche Ernährung von vornherein zurückstellen.
Ich müßte dem Leser, der mir bis hierher freundliche Gefolg⸗
schaft leistete, noch von den Gemüsen erzählen und vom Obst be⸗—
richten, aber der Setzer ruft unbarmherzig: Hhalt. — „Ich fürchte
auch, der Wirt beschwert sich.“ (Faust J. Auerbachs Keller.)