36
kanntlich mit der Suppe beginnen. Das Sleischsuppekochen ist ein
Prüfstein für die ernährungswissenschaftliche Vorbildung einer haus⸗
frau und für die Geschmacksrichtung der Tischgenossen. Die Menschen
teilen sich bei Suppe und Kindfleisch in zwei Lager: in dem einen be⸗
vorzugt man eine „kräftig“ schmeckende Suppe und nimmt mit einem
faden Suppenfleisch (Kochfleisch) vorlieb, im andern betrachtet man
die Suppe lediglich als belanglose Cinleitung der Mahlzeit und wünscht
ein saftiges Kindfleisch. Den Wünschen des ersten Cagers entspricht
man, wenn man das Fleisch in kaltem Wasser ansetzt und darin bis
zum Sieden erhitzt. Dadurch werden die im Fleische vorhandenen
geschmackgebenden und anregenden Stoffe Extraktivstoffe) und Salze
bis etwa zu 8000 ausgelaugt und treten in die Fleischbrühe über,
die dadurch geschmackvoller, aber nicht „kräftiger“ wird. Das mehr
oder weniger ausgekochte Fleisch hat zwar an Nährwert nicht viel
berloren, da die Eiweißstoffe, bis auf die geringen, im Schaume der
Kochflüssigkeit vorhandenen Mengen im Sleisch erhalten bleiben, es
hat jedoch an Geschmackswert eingebüßt. Der Schaum ist geronnenes
iweiß, daher immer noch wertvoll; sein Abschöpfen entspricht wohl
einem irregeleiteten Schönheitssinn, seine Verwertung ist eine Forde—
rung der Ernährungswissenschaft. Bringt man Fleisch in siedendes
Wasser, dann erfüllt man die Wünsche derer im anderen Lager, da
sich bei dieser Zubereitung die Sleischoberfläche mit einer abschließen⸗
den Schicht von geronnenem Ciweiß bedeckt, wodurch die Möglichkeit
eines weiteren Verlustes von Ciweiß und Salzen unterbunden ist; das
Fleisch bleibt saftig. Der Mittelweg ist zunächst an die Bedingung
gebunden, daß das Fleisch von hause aus „altschlachten“, „abge—⸗
lagert“, daher saftig sei; dann genügt ein Einlegen in kaltes Wasser
und eine Kochweise, die man als „Lächeln des Rochwassers“ bezeichnet
und die in einem gleichmäßigen Wallen, aber nicht in stürmischem
Sieden besteht. Ein dem Kochen ähnlicher Vorgang ist das Dämpfen,
wobei das Fleisch einer geringen Menge kochenden Wassers und den
heißen Wasserdämpfen ausgesetzt wird. Bei diesem Vorgang gehen
sfast keine Extraktivstoffe in die Brühe über; die Erwärmung der
inneren Sleischschichten erfolgt langsamer, das Sleisch bleibt saftiger
und wird daher wohlschmeckender.
KRochen und Dämpfen kann man auch Sleisch, das nicht voll⸗
ständig „abgelegen“ oder „reif“ geworden ist, da man durch die
längere Koch- oder Dämpfdauer die dem Sleische etwa noch anhaftende