Full text: Sammelband

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weil es die Grenzen des vorgesteckten Gebietes überschreiten würde, 
diese stillen Dulder ausführlich in ihrem Zellenkampf zu belauschen. 
Dieses Bändchen sollte eben den Verletzten gelten. Daß die ärztliche 
Fürsorge ihnen nicht minder zugewandt ist, das dürfte allen eine 
selbstverständlich gewordene Erfahrung sein. 
Noch tobt der Krieg. Ein unaufhörlicher Strom von Wehr⸗ 
fähigen fließt, immer wieder sich ergänzend, in die Schützengräben, 
und zurück fluten unablässig Scharen von ernsten, gereiften Män— 
nern, die in dem Tale des Verderbens dem Tode in die Augen ge— 
schaut, und finden sich wieder in den Lazaretten. Finden von dort 
ihren Weg zurück zur Front oder zur friedlichen Arbeit des All— 
tags. Jeder einzelne ein lebendiger Mensch aus Zellen aufgebaut. 
In dem Körper eines jeden ein unaufhörliches Schaffen und Wir— 
ken, Ringen und Streiten. In jedem einzelnen lodert die Flamme 
des Lebens machtvoll auf. Jeder einzelne trotz allem ein sieghafter 
zellenstaat. „Sieg“ jubelt's in dem Gesunden, dessen Zellenstaat in 
Cebensfülle und sieghafter Kraft die großen Ansprüche des Lebens 
mit selbstverständlicher Gewißheit triumphierend löst. „Sieg“ jubelt's 
in dem Verwundeten, in dem die Heilung den Sieg davontrug über 
Tod und Not. „Sieg“ aber auch in dem, der, dem Untergange ge— 
weiht, seinen Arzt fand, den Helfer, der mit zielbewußter Sicher⸗ 
heit seinen Körper emporriß und die Kräfte des Lebens wieder an— 
fachte. Und „Sieg“ ruft's in dem, dessen Leib und Glieder, dauernd 
zerbrochen, dem Ansturm des Lebens nicht mehr gewachsen sind, 
in dem der Wille zum Leben, zum Gesundsein, zur Arbeit seine 
Adlerschwingen breitete, die zur höhe trugen. „Sieg“ jubelt's an allen 
Enden. Auch von Niederlagen erfährt man. Glücklicherweise nur von 
sehr wenigen, wo weder der ZSellenstaat, noch sein großer Helfer, der 
Arzt, und der allgewaltige Wille soviel retten konnten, daß die Mög⸗ 
lichkeit selbständigen CLebens gewonnen wurde, wo die Erbarmungs⸗ 
würdigen siech und schwach und hilfsbedürftig sich der barmherzigen 
Liebe ihrer Mitmenschen anvertrauen müssen. Dieses erschütternde 
Cos ward nur wenigen zuteil. Daß es so wenige sind, dessen wollen 
wir uns freuen in dem Bewußtsein — wofür der Friede die tat— 
sächlichen Unterlagen bringen wird —, daß deutsche Wissenschaft und 
deutsche Arbeit in treuer Hilfe und wachsamer Fürsorge an den Ver— 
wundeten große Dinge geleistet und zu Erfolgen gekommen, die uns 
kein Staat der Erde nachmachen kann. Des sind wir froh in allem Leid. —
	        
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