Full text: Sammelband

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stellen oder das Messer einzuklemmen, und die Singer sind zu leicht 
zerbrechlich. Der Arm lockt gerade durch seine Unbeweglichkeit die 
Aufmerksamkeit auf sich, so daß man es begreiflich findet, wenn 
viele Verletzte schließlich den Sonntagsarm in den Schrank hängen, 
den leeren ärmel in die Kocktasche stecken, und damit offen und frei 
ihr übel zur Schau tragen. 
Man hat sich bemüht, dem Arme einen Ersatz zur Arbeit zu 
schaffen. Wie weit ist man von dem Ideal entfernt! Das Hochziel 
des vollen Ersatzes ist naturgemäß unerreichbar. Menschenwerk bleibt 
Menschenwerk. Der Arm ist und bleibt eine technische Wunderleistung 
der Natur. Die grobe Einstellung besorgt die Schulter, die feinere 
der Ellbogen, und die hand gibt in der Mannigfaltigkeit ihrer Be— 
wegungen eine unenoͤliche Fülle von Möglichkeiten zum Fassen, Grei⸗ 
fen, Drücken, Kneten nach jeder nur denkbaren Kichtung. Und 
wenn wir für den verloren gegangenen Arm einen künstlichen mit 
tausend Ersatzstüchen ersinnen, die Summe ihrer Leistungen wird 
doch das, was in einem einzigen gesunden Arme liegt, nie erreichen, 
mag die hand die zarten Bewegungen eines Rünstlers ausführen 
oder im Dienste eines Tagelöhners grobe und schwere Arbeit ver⸗ 
richten. Nach den Berufen muß man sich richten. Ob dabei 
die äußere Form der Gliedmaßen nachgeahmt wirod, ist für 
die Arbeitsfähigkeit vollbommen gleichgültig. Die Hauptsache ist, 
daß der künstliche Ersatz seinen Zweck erfüllt, einen wirklichen Ersatz 
darstellt, zur Arbeit brauchbar, kräftig und haltbar, mit starkem, 
wirksamem Bewegungsmechanismus. Was soll er leisten? Wie muß 
er beschaffen sein? Er muß zunächst leicht sein; denn er ist ein 
toter, fremder Ansatz, der von dem geringen Muskelreste getragen 
und bewegt werden muß. Er soll als Behelf für das tägliche Leben 
dienen, muß Essen und Trinken möglich machen, muß aber auch 
zum Ankleiden, Bürsten, Schreiben, Geldzählen verhelfen, vielleicht 
auch kleinere häusliche Verrichtungen ermöglichen: Fegen, Harken, 
Graben, Kadfahren. Das ist allen gemeinsam. Dann kommt die 
Frage nach dem Beruf. Der technische Zeichner braucht einen andern 
Ansatz als der Schlosser und Schmied oder Tagelöhner. Dieser wieder 
einen anderen als der Maschinenschreiber, der Buchbinder usw. Für 
jeden einzelnen Menschen müssen nach Beruf und Neigung be— 
sondere Ansatzstücke geformt werden. Und wenn man nun 
noch bedenkt, daß die Ausführung des Ersatzstückes nach der Länge
	        
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