Full text: Sammelband

2277 — 
ihm den vollkommenen, nätürlichen Gebrauch des künstlichen Beines 
ermöglicht und gleichzeitig so dauerhaft ist, daß er wirklich nicht 
nur Zierat und Attrappe zum Verdecken des Fehlers bleibt. Der 
Stelzfuß des Lahrer hinkenden Boten findet heute bei uns kaum 
noch Anwendung. Er ist unschön, da er allzu aufdringlich den Feh— 
— 
Gehen in großem Bogen schwingen muß, und unpraktisch, da er 
auf weichem Boden einsinkt. Zu schwerer Werkstattarbeit mag er 
zuweilen vorzuziehen sein. Unsere kriegsbeschädigten Beinamputier— 
ten erhalten ausnahmslos künstliche Beine, die, 
auch wenn das Bein hoch oben amputiert war, 
ein natürliches Gehen mit beweglichen Knien ge— 
statten. Freilich genügt es nicht, das künstliche 
Bein zu besitzen, man muß es auch gebrauchen 
lernen, genau wie man Radfahren erlernen muß, 
aber damit gehen lernen alle. Was man mit sol— 
chen künstlichen Beinen leisten kann, das zeigen 
uns jetzt schon Männer, die damit marschieren, 
sogar Rad fahren. Briefträger haben ihren Be— 
ruf mit ihrer hilfe wieder aufnehmen können, 
sogar Dachdecker, die mit dem künstlichen Bein 
Leiter steigen und über Dächer klettern, Offiziere, 
die damit reiten und ins Seld ziehen. Mit dem 
künstlichen Arme ist es eine schwierigere Sache! 
Wenn es auch vielen gelingt, nach Verlust eines 
Armes ohne künstlichen Ersatz in ihrem Be— 
rufe, sogar auch in der bildenden Kunst, wieder Erstaunliches 
zu leisten, so hat doch jeder das Verlangen nach einem Ersatz für das 
fehlende Glied, sei es, um den Schönheitsfehler vor den Blicken der 
nicht immer taktvollen Mitmenschen zu verbergen, sei es, um eine 
bessere Erwerbsfähigkeit zu erzielen. Um den Schönheitsfehler zu 
verdecken, dazu genügt schließlich eine plumpe Nachbildung des 
Armes, die an dem Stumpf befestigt wird. Das ist der sogenannte 
„Sonntagsarm“, ein leichter Arm mit hölzernen Fingern, über die ein 
handschuh gezogen wird, nur ein Verdecker des Übels, eine Vor— 
täuschung, ein praktisch wertloser Ersatz. Höchstens daß sich Son— 
dervorrichtungen zur Aufnahme des Eßgerätes anbringen lassen. Man 
muß immer die gesunde Hand zu Hilfe nehmen, um die Finger zu
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.