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somit ihre eigene, ursprünglich nur auf andere Aufgaben gerichtete
Tätigkeit. Durch methodische, ärztlich angeordnete Einübung, zu—
nächst rhythmisch taktmäßige, automatische, geradlinige und kreis—
förmige Bewegungen gelang es dann, auch die Bewegungsmöglich⸗
keit des gelähmten Armes und der hand in wenigen Monaten so—
weit zu verbessern, daß nach dem Verlassen des Lazaretts der Ver—
letzte, er war Landwirt, seinen Beruf wieder aufnahm. Freilich
blieben noch Keste der Erkrankung zurück. Die Bewegungen waren
roher und ungeschickter, zuweilen traten ungewollte Mitbewegungen
auf, er ermüdete rascher als ein gesunder Mensch. Immerhin freute
sich der Verletzte mit dem Arzte, daß der Sehler des Gehirns so
weitgehend ausgeglichen war.
In anderen Fällen erlebt man bei Sprachstörungen der Gehirn⸗
verletzten, daß sie unter verständnisvoller Anleitung zum Schwinden
gebracht werden. Auch hier müssen wir annehmen, daß andere Ge—
hirnteile das Vermögen, die Gedanken in Sprachbilder umzuformen,
aufgenommen haben, Leile, die bis dahin vielleicht nichts mit dem
Sprechen zu tun hatten. Unter sachgemäßer Anleitung, je nach der
Art der Sprachstörungen, wird Wort für Wort dem Sprachschatz wie—
der einverleibt und täglich eingeübt, bis das geläufige Sprechen wie—
der hergestellt ist. Allerdings bleiben auch hier Reste, die dem kun—
digen Beobachter die dagewesenen Störungen verraten. Die Sprache
ist langsamer, eintöniger, der Wortschatz gering, so daß oft, um etwas
auszudrücken, Umschreibungen gebraucht werden. Der Arzt erkennt
in solchen Fällen, wo der Laie einen scheinbar gesunden Menschen
bor sich zu haben glaubt, fast unmerkbare Defekte, die nach außen
hin kaum auffallen, aber den Verletzten in seiner Lebenstätigkeit
oft erheblich beeinträchtigen. Gerade dieser Krieg mit seiner Massen—
häufung von Gehirnverletzten hat eine Fülle von sorgfältigen Be⸗
obachtungen möglich gemacht, die zeigen, wie schwerwiegend diese
kleinen Mängel für das spätere Erwerbsleben sein können. Eine
Keihe dieser früher unbekannten Störungen hat Dr. Poppelreuter
in einem Büchlein „Erfahrungen und Anregungen zu einer Kopf—⸗
schuß⸗-Invaliden-Fürsorge“ (Neuwied 1915) niedergelegt und dar⸗
auf hingewiesen, wie wichtig und notwendig für diese Verletzten
eine besondere Fürsorge ist, sie dem Erwerbs- und Berufsleben wie⸗
der zuzuführen.
Schließlich ist der Kranke endgültig „geheilt“, der SZellenstaat