„Der Wille siegt!“
„Die Natur heilt, der Arzt kuriert.“ So sind die Kollen verteilt.
Der Zellenstaat allein wird mit den Schäden des Krieges nicht fertig,
er bedarf bei diesen in der Natur nicht vorgesehenen Verletzungen
der hilfe und Führung des Arztes; der Arzt lenkt die Kräfte des
Lebens und vertraut der Heilkraft, daß sie seine durch planvolle
Überlegung erdachte Absicht zur Wirklichkeit werden läßt. Und trotz
alledem ist das, was erreicht wird, immer noch nicht so, daß unsere
Wünsche auch nur einigermaßen befriedigt sind. Da fehlt eine Hand,
dort ein Bein, das abgeschossen oder gar notwendigerweise vom Arzt
geopfert werden mußte. hier bleibt nach einem Hirnschuß eine Läh—
mung der einen Körperhälfte zurück, dort eine Entstellung des Ge—
sichts. Wenn auch das Menschenmöglichste erreicht wird — werden
doch von unseren lazarettverpflegten Kriegsbeschädigten mehr als
90 vom Hundert wieder kriegsverwendungsfähig — manches ist und
bleibt verloren, und viele müssen Zeit ihres Lebens die im treuen
Dienst fürs Vaterland ehrenvoll erworbenen Schäden tragen. Da
muß man sich eben mit dem Verbliebenen fürs Leben einrichten,
so gut es geht, muß mit seinen Kräften haushalten, sie wieder in den
Dienst des Arbeitsbetriebes unter möglichster An- und Einpassung
einzustellen suchen. Aber unbemerkt paßt sich auch der Zellenstaat
der von Grund auf geänderten Lebensweise an.
Mit den Mitteln, die ihm geblieben sind, richtet er seinen Be—
trieb auf die geforderten Ansprüche ein. Durch Gebrauch und Tätig—
keit formen sich die Organe um und bilden sich entsprechend neuen
Ceistungen. In dem gebrochen gewesenen Knochen oroͤnen sich
die Bälkchen und Leisten der harten Knochenmasse nach den neuen
Anforderungen des Tragens und Stützens. Ist im Unterschenkel
die feste Säule des Schienbeines nicht mehr tragfähig, so übernimmt
das viel schwächere Wadenbein seine Aufgabe unod verdickt sich ent—⸗
sprechend der gröäßeren Inanspruchnahme. Muskeln, von denen in
dem verletzt gewesenen, verheilten Gebiete veränderte Leistungen
gefordert werden, ändern ihre Länge und Dicke für die neue Ar—
beit. Ist ein Glied kürzer geworden, weil der zerschmetterte Kno—
chen mit Verkürzung heilte, so wären die Weichteile, Muskeln und
Sehnen, Adern und Nerven zu lang und ungeeignet zur Tätigkeit.
Sie ändern sich um, verkürzen sich nach dem Grad der Verkürzung