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lung der Unfallverletzten, die sich immer nur um den einen Punkt dreht,
wie für den Verletzten eine möglichst große Arbeitsfähigkeit zu retten
ist, hat der deutsche Arzt gelernt, das Menschenmögliche zur Er—
reichung dieses Zieles zu tun. Und in den letzten Jahrzehnten hat er
dafür immer neue Vorrichtungen ersonnen, immer neue Operatio—
nen erdacht, immer neue Maschinen erfunden. Ebenso liegt jetzt im
Kriege der Schwerpunkt des ärztlichen Schaffens in der Wiederher—
stellung der eigentlichen beruflichen Werkzeuge, der Gliedmaßen.
Da sind die Beine. Wie arm ist das Leben, wenn uns der Ge⸗
brauch der Gehwerkzeuge versagt ist, wenn wir die Hilfe eines Mit—
menschen notwendig haben, uns fahren und leiten zu lassen! Wie
übel wirkt schon eine einfache Behinderung der Beine am Gehen,
hinken und humpeln, etwa bei Steifigkeit, Verkrümmung oder Ver—
kürzung. Wir vergessen leicht, wie stolz und königlich der Mensch
gerade durch die sorgfältige Ausbildung der, unteren Gliedmaßen
geworden ist. Kein Tier hat so prachtvolle und feste, so verhältnis—
mäßig große Stützen wie der Mensch. Die Kraft der Knochen, die
große Masse der Muskeln an Lenden und Hüfte sichern ihm die
aufrechte Stellung, sie geben ihm die volle Freiheit der Bewegungen
seiner Arme und hände zur Ausführung seiner Gedanken und zur
Betätigung seines Erfindergeistes. Denn darum konnten eben die
hände so sehr hände werden (im Gegensatz zu den Gliedern der
Tiere), weil die Beine so sehr Beine und nichts als Beine waren.
Und nun erst die Hand! Wir müssen bei ihr wegen ihrer großen
Bedeutung für unsere Frage etwas länger verweilen. Welch köst—
liches Instrument ist die Hhand! Fünf kurze, bewegliche Stäbchen
an dem langen, beweglichen Stiele des Armes. Die menschliche Hand
führt so vollkbommen die von uns gewollten Bewegungen aus, jeder
Anstrengung unseres Willens wird sofort so treffend entsprochen,
daß wir Menschen gar nicht auf den Gedanken kommen, daß hier
ein äußerst verwickeltes Werkzeug vorliegt, daß wir gar nicht ahnen,
wie viele tausend Teile ineinandergreifen müssen, um nur eine ein—
zige kleine Bewegung der hand zu ermöglichen. Alles geschieht so
selbstverständlich, bei den gewaltigen, wuchtigen hantierungen wie
bei dem zarten, freien Spiel der Finger, als wäre die Hand selbst
der Sitz des Willens, als besäße sie an sich die selbständige Fähigkeit
zum „handeln“. Wir gebrauchen sie ganz instinktiv, wie wir atmen,
haben alle Erinnerung daran verloren, wie schwierig die ersten Greif—