Full text: Sammelband

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in Friedenszeiten, beizeiten sorgen, daß der Unochen bis zur hei— 
lung durch Schienen, Stützen und Verbände in seiner richtigen Lage 
festgehalten wird. Im Kriege ist die Aufgabe nun nicht so leicht, 
da die Geschosse ja gleichzeitig äüußere Wunden rissen, durch die der 
Knochen mit der Außenwelt in Verbindung tritt. Das ist wegen der 
oben geschilderten Bakteriengefahr schlimm. Indessen auch hier kann 
bernünftiges handeln Großes erreichen. Man überlegt so: Die Bak— 
terien werden hauptsächlich an die Wunden getragen durch unsau— 
bere Finger und Verbandstoffe, wenn nicht schon vorher der Granat— 
splitter sie hineingepreßt hatte. Darum entscheidet der erste Ver— 
band über das weitere Schicksal. Die frische Wunde muß unter 
allen Umständen keimfrei versorgt werden, das ist die erste, selbst— 
verständliche Forderung. Und wenn sich schon Bakterien in der zer— 
klüfteten Wunde angesiedelt haben, auch dann braucht man nicht zu 
verzweifeln. Denn sie breiten sich meist nur in totem, zerfetztem 
Gewebe aus oder in solchem, das von ihren Giften abgetötet war. 
Je weniger Einzelherde, desto leichter wird der Sellenstaat mit ihnen 
fertig. Durch Bewegung werden die Bakterien gewaltsam weiter— 
gequetscht in bis dahin unberührtes Gewebe; es entstehen neue herde 
und mit ihnen neue Gefahren. Also ist äußerste Ruhe notwendig. 
Wir erzwingen sie durch Schienen oder Eingipsen des verletzten Glie— 
des. Dadurch wird nicht nur der Knochen in günstiger Lage erhalten, 
sondern auch ein Weiterschreiten der Bakterienverseuchung nach Mög— 
lichkeit verhütet, und man erreicht eine vollkommene heilung selbst 
da, wo man wegen dieser Verseuchung mit banger Sorge in die Zu— 
kunft blickte. 
Aber selbst, wenn unter ärztlicher Sorgfalt der Knochen in seiner 
natürlichen Stellung zur Verheilung gebracht wird, so daß man sich 
schon freuen möchte, daß die Hheilung nach Wunsch verläuft, kann 
die Freude stark gedämpft werden, wenn man den Enderfolg der 
heilung sieht. Die Verbindung der Knochenenden durch den Kallus 
— den erst weichen, dann verhärtenden Unochenkitt — pflegt ge— 
wissermaßen im Übereifer, stürmisch vonstatten zu gehen. Rücksichts- 
los stülpt sich der Kitt mit dichen Wülsten um die Enden, alles bei— 
seite schiebend, was sich ihm entgegenstellt, Muskeln und Nerven 
werden unsanft zusammengedrückt, ja, die Nerven oftmals umwu— 
chert, so daß sie fest in der Knochenmasse verbachen, Lymph- und 
Blutgefäße, die zarten Kanäle der wertvollen Lebenssäfte, werden
	        
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