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Immer und überall bildet sich nach jeder Verwundung eine
Narbe. Sie bildet sich, wie wir sahen, in der Tiefe des Schußkanals,
bildet sich in offenen Fleisch- und Hhautwunden — überall. Das ist
zwar sehr schön und zweckmäßig, ja für den ZSellenstaat die einzige
Möglichkeit der Wiederherstellung, aber leider wird das Siel, völlige
körperliche Heilung mit Wiederherstellung der Verrichtungen, sehr
selten erreicht, gerade wegen dieser nach Schema Pevor sich gehenden
Narbenbildung, die rücksichtslos die Lücke mit einem alles verkitten—
den, derben Gewebe ausfüllt. Die Narbe füllt Lücken und verbindet
Getrenntes, aber es fehlt das planmäßige Oroönen und Zusammen—
fügen des zueinander Gehörigen. Es wird eben nur ausgefüllt,
ohne Rücksicht auf das Was und Wie. Wenn ein grobes Geschoß
in den Körper gejagt wurde, verschiedene Organe und Gewebe auf
große Strecken wahllos zerstörend und zerfetzend, dann füllt sich
die Lücke der mancherlei Gewebe mit der zuerst zartweichen, schwam⸗
migen, gleichförmigen Kittmasse, die dann, zur derben Narbe
schrumpfend, wie eine klumpige, sehnige Schwarte hart und unnach—
giebig zwischen den verschiedenartigen durchschossenen Teilen lagert,
ein hindernis der Vereinigung von Teil zu Teil. Die Sehnen finden
sich nicht wieder, die Nerven können ihre feinen Fäden nicht über
das harte hindernis hinwegspinnen, und die Muskelenden verbacken
daran, ohne sich zu ihrer alten Tätigkeit vereinigen zu können.
Und das Ergebnis: Ein unbrauchbarer, steifer Arm, in dem Mus—
keln und Nerven dauernd zur Untätigkeit verdammt sind. So findet
ein Vorgang von an sich wunderbarer Zweckmäßigkeit und genialer
Einfachheit seine Grenze, wenn nicht ein, sondern mehrere getrennte
Teile ihrer Wiedervereinigung harren. hier gilt's für den Arzt
einzugreifen. Wenn eine Ader durchschossen war, wenn der Körper
die Blutstillung fertig brachte und die Umleitung des Blutes auf
Seitenbahnen sicherte, dann brauchen die zurückgeschnurrten Ader—
enden sich nicht mehr zu vereinigen; um sie braucht sich weder
Zellenstaat noch Arzt weiter zu kümmern. Aber durchschossene Seh—
nen, die Zugbänder und Gleitseile der Muskeln, müssen aneinander—
heilen, wenn die Beweglichkeit von hand oder Fuß nicht in Frage
gestellt werden soll. Wird die Sehne unbeweglich, weil sich eine
diche, unnachgiebige Narbenmasse zwischen die getrennten Enden
schob, dann muß eingegriffen werden; denn eine unbewegliche Sehne,
ein nichtgleitendes Gleitseil, ist ein Widerspruch in sich selbst. Der