Full text: Sammelband

42 — 
Leben ernstlich gefährde. Man scheut da nicht vor dem gewaltigsten 
Eingriff zurück. In diesem Kriege ist wiederholt ein Geschoß, das 
durch die Herzwand in das Hherz gedrungen war, durch Operation 
entfernt worden, ein fast unglaubliches chirurgisch⸗technisches Meister⸗ 
stück, das mehrfach von vollem Erfolg gekrönt wurde. Die ständige, 
dringende Gefahr lag hier darin, daß das im herzen befindliche, 
durch jeden herzstoß aufgescheuchte Geschoß plötzlich den Eingang 
zu einer Ader absperren und so binnen Sekunden plötzlichen Tod 
hervorrufen konnte. 
Man stelle sich das Kugelsuchen im KLörper nicht zu leicht vor. 
Auch mit Hilfe der Köntgenstrahlen ist es durchaus nicht immer ein— 
fach, den Sitz der Kugel festzustellen. Das Röntgenbild zeigt oft 
überraschend klare Verhältnisse. Man geht auf Grund des so deut— 
lichen Bildes vor, bis man nach langem, vergeblichem Suchen im 
Körper das Werk aufgibt, ärgerlich, daß man sich hat narren lassen. 
Wohl malt uns das Röntgenbild das Geschoß verführerisch scharf auf 
die Platte, aber es läßt uns völlig darüber im Unklaren, wie tief 
es sitzt, ob es vorn oder hinten oder im Knochen selbst steckt. Diese 
schwierigkeit war die Veranlassung, daß Hunderte von oft außer⸗ 
ordentlich geistreichen Perfahren erfunden wurden, um mit Genauig— 
keit nicht nur die Lage, sondern auch die Tiefe des Geschosses fest⸗ 
zustellen. 
Wenn der Arzt in diesen Fällen eingreifen mußte, so geschah 
das, wie wir wissen, weil der Zellenstaat, vor eine Kiesenaufgabe 
gestellt, eine an sich zweckmäßige Lösung versuchte, die aber, ohne 
Hhoraussicht zukünftiger Ereignisse, den Keim zu Verwickelungen, 
ja zu lebensvernichtendem Ausgang in sich trug. Diese „Heilung“ 
ist dem kundigen Arzt, der die kommende Gefahr zu überschauen 
gelernt hat, ein unmögliches Ding. Darum greift er beizeiten hel— 
fend ein. Immer auf dem Posten sein, immer sorgfältig aufmerken, 
immer kurieren und besorgen, das ist's, was von dem Kriegschirurgen 
als selbstverständliche Aufgabe verlangt wird. Er darf ruhig dem 
heilbestreben des Körpers zusehen, ja, als oberstes Gesetz gilt bei 
allen ärzten, sich den Kriegsverletzungen gegenüber abwartend zu 
verhalten, nicht einzugreifen, aber sorgfältig darüber zu wachen, 
ob und wann ein Eingriff nötig wird. Täglich, tagtäglich bietet sich 
dem Arzte Gelegenheit, dem Zellenstaat sanft auf den rechten Weg 
zu verhelfen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.