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Leben ernstlich gefährde. Man scheut da nicht vor dem gewaltigsten
Eingriff zurück. In diesem Kriege ist wiederholt ein Geschoß, das
durch die Herzwand in das Hherz gedrungen war, durch Operation
entfernt worden, ein fast unglaubliches chirurgisch⸗technisches Meister⸗
stück, das mehrfach von vollem Erfolg gekrönt wurde. Die ständige,
dringende Gefahr lag hier darin, daß das im herzen befindliche,
durch jeden herzstoß aufgescheuchte Geschoß plötzlich den Eingang
zu einer Ader absperren und so binnen Sekunden plötzlichen Tod
hervorrufen konnte.
Man stelle sich das Kugelsuchen im KLörper nicht zu leicht vor.
Auch mit Hilfe der Köntgenstrahlen ist es durchaus nicht immer ein—
fach, den Sitz der Kugel festzustellen. Das Röntgenbild zeigt oft
überraschend klare Verhältnisse. Man geht auf Grund des so deut—
lichen Bildes vor, bis man nach langem, vergeblichem Suchen im
Körper das Werk aufgibt, ärgerlich, daß man sich hat narren lassen.
Wohl malt uns das Röntgenbild das Geschoß verführerisch scharf auf
die Platte, aber es läßt uns völlig darüber im Unklaren, wie tief
es sitzt, ob es vorn oder hinten oder im Knochen selbst steckt. Diese
schwierigkeit war die Veranlassung, daß Hunderte von oft außer⸗
ordentlich geistreichen Perfahren erfunden wurden, um mit Genauig—
keit nicht nur die Lage, sondern auch die Tiefe des Geschosses fest⸗
zustellen.
Wenn der Arzt in diesen Fällen eingreifen mußte, so geschah
das, wie wir wissen, weil der Zellenstaat, vor eine Kiesenaufgabe
gestellt, eine an sich zweckmäßige Lösung versuchte, die aber, ohne
Hhoraussicht zukünftiger Ereignisse, den Keim zu Verwickelungen,
ja zu lebensvernichtendem Ausgang in sich trug. Diese „Heilung“
ist dem kundigen Arzt, der die kommende Gefahr zu überschauen
gelernt hat, ein unmögliches Ding. Darum greift er beizeiten hel—
fend ein. Immer auf dem Posten sein, immer sorgfältig aufmerken,
immer kurieren und besorgen, das ist's, was von dem Kriegschirurgen
als selbstverständliche Aufgabe verlangt wird. Er darf ruhig dem
heilbestreben des Körpers zusehen, ja, als oberstes Gesetz gilt bei
allen ärzten, sich den Kriegsverletzungen gegenüber abwartend zu
verhalten, nicht einzugreifen, aber sorgfältig darüber zu wachen,
ob und wann ein Eingriff nötig wird. Täglich, tagtäglich bietet sich
dem Arzte Gelegenheit, dem Zellenstaat sanft auf den rechten Weg
zu verhelfen.