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liche Arzt, der „heiler“, ist das große geheimnisvolle Leben, das
die Kräfte des Zellenstaates zu geordnetem Schaffen treibt.
Wie der Arzt dem Sellenstaate Helfer in der Not wird, wo dessen
Kräfte zur Erhaltung des Lebens nicht äusreichen, bei Blutstillung
und Bakterienbekämpfung, das haben wir uns klar gemacht. Aber
auch weiterhin nach der Beschwörung der ersten, größten Gefahr,
kann die hilfe des Arztes plötzlich notwendig werden.
Da ist im Cazarett ein Verwundeter, dem vor einigen Wochen
ein Infanteriegeschoß quer durch den hals flog, zwischen Kehlkopf
und Schlund hindurch. Rechts ein kleiner Deckverband und links
ein solcher, das war die ganze ärztliche hilfe. Nach acht Tagen
war alles geheilt. Der Verwundete fühlte sich völlig gesund. Doch
sah man an der linken Seite des Kehlkopfes eine kleine, runde Wöl—
bung, und wenn man lose den Singer darauf legte, fühlte man ein
sanft zitterndes Schwirren im Takt mit dem herzschlag. Das war
eine Aussackung, eine Adergeschwulst, wie sie in dringender Not
der Verblutungsgefahr vom Zellenstaate gebildet wird. Die große
Halsschlagader war getroffen, das ausgurgelnde Blut hatte sich die
höhle gewühlt, die sich nachher mit derben hHäuten umhüllte. Das
war sicherlich lebensrettend für den Zellenstaat, aber es war, wie
der Erfolg lehrt, nur ein Augenblickserfolg. Jetzt, nach vollzogener
„Heilung“, strudelte das Blut durch das Loch der Verletzung in den
Ssack und bildete Wirbel und Gegenströmung, daß man das Schwirren
des strömenden Blutes mit dem Finger fühlte. Mit Entsetzen sah
der Arzt diese Geschwulst langsam, aber stetig wachsen — der Ver—
letzte fühlte sich dauernd völlig gesund —, mit Entsetzen, weil er
den Eintritt einer Katastrophe mit Kiesenschritten immer näher—
rücken sah. Ein Bild zum Vergleich. Wenn man der Feuerwehr
beim Löschen zusieht, bemerkt man zuweilen an dem Schlauch eine
kleine Beule, die sich verwölbt und immer größer wird. Je größer
sie aber wird, desto weniger widerstandsfähig wird die verdünnte
Wand, bis plötzlich unter dem Drucke des Wassers die kugelige
Beule platzt und das Wasser in weitem Strahle herauszischt. So
ist's auch mit dieser Blutadergeschwulst. Sie wächst und wächst unter
dem dauernden Drucke des Blutes, bis sie, wie leider traurige Er—
fahrung uns allzu oft lehrt, jäh und plötzlich platzt. Der kostbare
rote Lebenssaft sprudelt ungestüm aus dem Kiß, und bevor ärzt—
liche Hilfe lebensrettend eingreifen kann, pflegt es zu spät zu sein.