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noch nicht Allgemeingut der ärzte und Kichtschnur für ärztliches
Handeln war, daß alle Eiterüng durch Bakterien bedingt ist, wissen,
daß es sich um einen Kampf zwischen den lebendigen Zellen des
Menschenleibes und den winzigsten Lebewesen handelt, dessen end—
gültiger Ausgang Sieg oder Niederlage bedeutet. Und fällt der
Mantel, so der Herzog mit. Werden die Sellen besiegt, so geht das
ganze stolze Menschengebäude zugrunde.
Allerdings sind die im Kriege erworbenen Wunden alle mit
Bakterien infiziert, auch dann, wie wir sahen, wenn sie durch ihren
günstigen Verlauf den Anschein erweckten, als wären sie von Keimen
verschont geblieben. Wohl niemals bleibt dem Zellenstaat der Kampf
mit den Bakterien ganz erspart, auch nicht bei glattem Wundverlauf,
bei dem der Zellenstaat mit spielender Leichtigkeit die Oberhand be—
hielt, ohne daß Arzt und Verwundeter von dem KRingen etwas be—
merkten. Das Spiel war leicht, weil der Feinde nicht allzuviele
waren und weil die Machtmittel des Zellenstaates sich in dem jugend—
kräftigen Körper unbehindert und frei in ihrer vollen Wirksamkeit
entfalten konnten. Darum ist es Aufgabe des Arztes, wenn er schon
das Eindringen von Babkterien nicht verhüten und dem Körper nicht
allen Kampf ersparen kann, alles zu tun, was in seinen Kräften
steht, um möglichst die Zahl der Bakterien zu beschränken und ein—
zudämmen und möglichst ihnen die Gelegenheit zur Vermehrung und
zum Wachstum zu nehmen und den Körper in seinem Kampfe nicht
zu stören. Schon auf dem Schlachtfelde fängt die Fürsorge damit an,
daß dem Soldaten keimfreie Verbandpäckchen mitgegeben werden,
die nach bestimmter Anweisung so aufgelegt werden müssen, daß sie
vor ihrer Verwendung zur Wundendeckung nicht mit fremden, keim—
haltigen Dingen in Berührung kommen können. Sie decken die
Wunde und sperren den zudringenden Bakterien den Weg. Das
bei den Laien so beliebte und ach so unsinnige Auswaschen einer
frischen Wunde ist selbstverständlich streng verboten. Was will man
denn aus einer frischen Wunde auswaschen? Der Erfolg kann doch
nur sein, daß man von der stets unsaubern Hhaut Keime in die an
sich keimfreie Wunde in Massen hineinspült. Ebenso verboten ist
die durchaus überflüssige Berührung der Wunde, sei es mit den
Fingern, sei es mit Instrumenten, oder gar das 1870 so beliebte
Sondieren der Wunden, um nach dem Geschoß zu suchen. Warum,
wozu? Mag das Geschoß, wenn es stecken blieb, zuerst einheilen.