Full text: Sammelband

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wir erkennen können, daß sehr oft glatte Heilungen mit rascher 
wWiederherstellung aller Verrichtungen und Leistungen vorkommen! 
Und doch! — wir brauchen nur einen Blick auf die Straßen einer 
Großstadt während des Krieges zu tun oder durch ein Lazarett zu 
wandern, um traurig gestimmt und in unserer hoffnungsfreudigen 
Auffassung von sieghafter Tätigkeit des Zellenstaates wankend zu 
werden. Der Sellenstaat „sieghaft“ auch hier angesichts des grauen— 
vollen Clends? Sieghaft, wenn große Scharen unserer tapferen Brü— 
der an ihren Verletzungen zugrunde gehen? Ist das ein Sieg des 
Zellenstaates, wenn Tausende, Tausende, allzuviele zurückkommen 
mit zerschossenem Leibe, grauenhaft entstellt, auch nach abgeschlos— 
sener Heilung noch lebensunbrauchbar? Ist es nicht schale Spielerei, 
da vom sieghaften Zellenstaat zu sprechen? Dennoch! So widersinnig 
es klingen mag: auch angesichts dieses Elends dürfen wir einen 
Jubelhymnus singen auf das schaffende Leben, das in dem stolzen 
Bau unseres Körpers, in dem wunden Leibe des Kriegers das heilig 
glühende Feuer des Lebens erhält, dürfen wir es wagen im hinblick 
auf die erstaunliche Tätigkeit der Zellen, die unermüdlich wirken und 
schaffen, heilen und bessern, flichen und wiederherstellen, so gut 
sie es mit ihren Mitteln eben können. 
Leben heißt sich behaupten gegen die Außenwelt. Leben 
heißt unaufhörlich und unablässig Aufgaben lösen, HUufgaben, 
die die harte Natur in ewigem Wechsel an den Organismus 
heranbringt. Und das ist nichts uns Menschen Eigentümliches. Alles, 
was lebt und webt und fleucht und kreucht, leidet unter dem Schicksal, 
daß es dauernd sein Leben verteidigen muß. Viel tausenderlei Hilfs— 
mittel hat das Leben, das Leben zu erhalten, sich mit seinen Zellen 
zu wehren, die Anforderungen und Ansprüche der Natur zu erfüllen 
und auch gegen abgelegene Möglichkeiten sich zu schützen, Möglich— 
keiten, wie sie aus dem Schoße der Natur heraus sich gebären und in 
tausenderlei Gefahren dem Lebendigen lauern: Biß- und Riß- und 
Kratzwunden von feindlichen Tieren, Verletzungen durch rollende 
Steine, durch Anstoßen beim Laufen und Springen. Was aber hier, 
bei den heutigen Kriegsverletzungen, geleistet werden soll und muß, 
diese Gefahren und Aufgaben sind in der Natur des Lebendigen 
nicht vorgesehen: Daß metallene Gegenstände mit gewaltiger Wucht 
in den Zellenstaat hineingeschleudert werden, ihn durchbohren und 
alles, was sich ihnen auf ihrem rasend schnellen Vorddringen ent—
	        
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