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kugeln der Schrapnelle. Der lebendige Muskel ist ein so weiches,
schwammiges Gewebe, daß selbst ein kraftloses, mattes Geschoß hin—
durchgeht. Oft erlebt man es, daß ein Geschoß alle Weichteile durch—
bohrte, aber vor dem Austritt an der haut einen Widerstand fand
und unmittelbar unter der Haut stecken blieb. Steckengebliebene
Heschosse können in den Körper einheilen. Mancher Veteran von
1870 hat jahrelang sein Geschoß als Andenken im Körper mit sich
getragen, ohne wesentliche Beschwerden dadurch zu empfinden. Na—
türlich ist es für den Betrieb des Körpers nicht gleichgültig, wo das
Geschoß steckt. Sitzt es an einer Stelle, wo es durch Bewegung ver—
lagert und verrückt werden kann, so wandert es, bis es auf ein un⸗
gestörtes Plätzchen geschoben ist. Dann bildet der Zellenstaat um das
Geschoß eine Kapsel aus hartem Bindegewebe, das Wandern hört
damit auf und die Möglichkeit, durch Bewegung und Druck noch
Schaden anzurichten. Es gibt wohl nur wenige Organe, in denen
nicht schon eingeheilte Geschosse gefunden wurden. Man hat sie ge—
funden in Muskeln, Knochen, in der Leber, in den Nieren, in der
Milz, ja in den Lungen und selbst im Gehirn. In früheren Jahren
machte man bei gelegentlichen Leichenöffnungen solche Zufallsfunde.
heutzutage zeigt uns die Köntgendurchleuchtung ohne weiteres LCage
und Form des Geschosses im Körper mit Sicherheit an. So nimmt
es nicht wunder, daß wir wegen der Leichtigkeit, mit der wir uns
über den Verbleib eines Geschosses unterrichten können, in einer
überaus großen Zahl von Fällen, die uns früher rätselhaft bleiben
mußten, überraschende Aufklärung finden. Auch der kleinste Gra⸗
natsplitter kann uns nicht verborgen bleiben, wenn wir nach ihm
fahnden. Bei vielen Störungen im Körperbetrieb, bei Lähmungen,
Sschmerzen entdeckt man bei der Röntgendurchleuchtung als Ursache
feine Geschoßsplitter oder größere Metallteile. Man sieht da die
seltsamsten Dinge und größten Merkwürdigkeiten. Wiederholt hat
Nan bei der Durchleuchtung unvermutet Geschosse an ganz unglaub—
lichen Stellen gefunden, mehrfach sogar im Herzen, sowohl im Fleisch
des Herzens festsitzend, als auch im Hherzinnern, in der höhlung
mitten im sausenden Strome des wirbelnden Blutes.
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HNein, es ist nicht wahr, daß unser Körper so ganz schutz- und
wehrlos der wahllosen Vernichtung durch die wuchtig hineingeschleu—
derten Geschosse preisgegeben ist! An besonderen Beispielen haben