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Hartmut Broszinski
L. April 1911 abgeschlossen war, eine Liste über diesen Fundus anzulegen hatte.
1914 überarbeitete er das Verzeichnis dann noch einmal“.
Langes Katalog gibt keine Ergebnisse eigener bibliographischer Recherchen
wieder; die Titel werden nach den bekannten Inkunabelverzeichnissen von Hain,
Copinger, Reichling und Panzer aufgelistet und dann nach Druckort und Drucker
permutiert, so wie dies moderne Kataloge auch tun. Es folgen knappe Anmerkun-
gen, meist zum Zustand der Bände, aber nichts von Provenienz, Beigaben usw. Inso-
fern scheint Langes Fleißarbeit etwas schütter; aber schließlich war es genau das,
was die GW-Redaktion brauchte: Hain- bzw. Copingernummern, und dieses mög-
ächst schnell, sollte das Werk in Berlin nicht von vornherein durch dezentrales Voll-
kommenheitsstreben — Feind aller Gesamtunternehmen — in Frage gestellt werden.
Und Lange lieferte pünktlich, genau und übersichtlich. Seine Leistung gewinnt noch
sine andere Dimension, wenn man sich klar macht, wie er die Inkunabeln auffinden
mußte, die ja über alle Systemstellen des damals rund 350000 Bände umfassenden
zesamten Buchbestandes ungekennzeichnet verteilt waren. Lange nahm sich den
achtzigbändigen systematischen Katalog der Landesbibliothek vor — angelegt unter
Friedrich Wilhelm Strieder® nach 1786, fortgeführt bis zum 2. Weltkrieg — und
brachte so die Titel zusammen.
Langes Direktor Eduard Lohmeyer®, der sich schon seit seinem Eintritt in die Bi-
bliothek 1876 um die Sammlung, Erhaltung und Katalogisierung der aus Buchein-
bänden, Aktenfaszikeln, Vorsatzblättern usw. des Altbestandes der Landesbibliothek
stammenden Handschriften- und Inkunabelfragmente bemüht hatte, hielt dessen
Arbeit für wichtig genug, daß er höchstselbst dazu eine Art Titelblatt entwarf, um
Langes Arbeit so die obrigkeitlichen Weihen zu verleihen. Lohmeyer gehört sonst
nicht in die illustre Reihe derjenigen Bibliothekare in Kassel, die ihren wissenschaft-
üchen Tätigkeitsdrang vornehmlich auf philologisch-historische Gefilde lenkten, er
natte es mehr mit der Orthographie, genauer mit einer Rechtschreibreform”, durch
welche phonetisches Schreiben eingeführt werden sollte. Wie bei fast allen Weltver-
besserern war auch bei ihm der Weg zum Skurrilen nicht weit. Doch dies nur neben-
bei. Immerhin richtete er sein auch latent vorhandenes literarhistorisches Interesse
ıuf die akkurate Protokollierung aller Umstände, die mit dem Auffinden eines
solchen Fragmentes verbunden waren, auf Provenienz, Zustand und sonstige für
ans heute so wichtige Details, nicht so sehr auf Textbestimmung. Seine Daten bilden
eine der ganz wenigen in der Bibliothek erhaltenen Quellen für die neuere
Geschichte unserer Handschriftensammlung nach dem Brand von 1941. Insoweit
gebührt ihm durchaus ein Platz an dieser Stelle,
Selbstverständlich waren schon vor Lange verschiedene Inkunabeln bekannt ge-
macht worden. Strieder®, dieser griesgrämige Gelehrte auf dem Stuhl des leitenden
Bibliothekars in Kassel, hatte bereits vor Panzer und Hain in den Hessischen Beyträgen
zur Gelehrsamkeit und Kunst 2, 4. Stück, S. 677 f£. im Jahre 1787 eine leider nicht fort-
gesetzte Serie über Typographische Monumente in der Kasseler öffentlichen Bibliothek be-
4 Signatur der Hss-Abt.: 2° Ms. Hass. 463 A.
5 (1739-1815). Siehe Ex Bibl. Cassellana, S. 72 £., 140 ff, 179 ££., 234 £
5 (1847-1927). Ex Bibl. Cassellana, S. 86. 129 ff. und 214 f£
* Ebd.S. 129 ff.
Karl E. DEmanprT, Schrifttum zur Geschichte und geschichtlichen Landeskunde von
Hessen (VHKN 17), Wiesbaden 1965, Bd. 2, S. 630.
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