33
Im Juni 1756 machten die Prinzen einen Besuch in Altona beim
König Friedrich V. von Dänemark und gingen dann für ein paar
Tage nach Kassel.
Am 25. Juni kehrten wir nach Göttingen zurück, fingen unsere
Studien wieder an, sahen, wie ein Prorektor gewählt wurde, nahmen
an mehreren akademischen Disputationen teil und machten einige
Ausflüge nach Hardenberg, Marienstein und anderen Orten in der
Nähe.
Am 22. August gab es eine kleine Bataille in unserm Hause.
Unser Hauswirt, der alte Grätzel, war der Todfeind eines gewissen
Scharff!), bei dem Frau v. Wittorff wohnte. Als dieser nun
nach einem Besuch bei uns die Treppe herunterkam, ließ Grätzel
ihn durch seinen Sohn überfallen, der ihm eine furchtbare Ohrfeige
gab. Unsere Diener mischten sich in den Streit, und es hagelte
Schläge von allen Seiten.
Herr v. Wittorff erhielt eine sehr günstige Gelegenheit, eine
Rolle zu spielen, indem er den jungen Grätzel durch Vermittlung
des alten Generals Block?) verhaften ließ. Man machte eine furcht—
bare Affäre aus der Geschichte. Relationen gingen nach Kassel,
Hannover ete., und das Ende vom Lied war, daß der junge Mensch
in Haft (maison de correction) kam.
Am 8. September kam meine Mutter wieder zum Geburtstag
meines jüngsten Bruders, der am 11. durch einen Ausflug nach
der Rasemühle gefeiert wurde. Am Abend gabs Musik bei Frau
o. Wittorff, die Herr Scharff, der Feind der Grätzels, ver—
anstaltete. Am 13. fuhr meine Mutter wieder nach Kassel. Am
17. wurde das Jahresfest der Universität mit vielen Reden und
stundenlangen Zeremonien gefeiert. Am nächsten Tag wurde Herr
o. Wittorff auf Befehl meines Großvaters nach Wilhelmstal ge⸗—
rufen. Am 22. September kehrte er zurück mit der Nachricht, daß
unser Aufenthalt in Göttingen zu Ende sei. Binnen kurzem sollten
sollten wir nach Kassel gehen, aber nur um Abschied zu nehmen
und uns zur Reise nach Kopenhagen vorzubereiten, wo wir von
nun an wohnen sollten. Das Neue an der Sache und das Ver—
gnügen, unsern langweiligen Aufenthaltsort zu verlassen, ließ uns
die Nachricht sehr angenehm erscheinen, obwohl sie eine weite Treu—
1) über die Feindschaft der Tuchfabrikanten Grätzel und Scharff, die schon
im J. 1753 zu einem heftigen Zusammenstoß und zeitweiligen Arrest von Grätzel
geführt hatte, vgl. den Bericht von Bärens im Jahrb. d. Gesch. Ver. f. Göttingen
1.64f. Scharffs Haus lag am Papendiek, jetzige Nr. 17, Ecke Petrosilienstraße.
2) Gen. Mai. Joh. Henrich Block war 1748 —57 Kommandant von Göttingen.