Full text: Die hessischen Prinzen in Göttingen 1754-56

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Im Juni 1756 machten die Prinzen einen Besuch in Altona beim 
König Friedrich V. von Dänemark und gingen dann für ein paar 
Tage nach Kassel. 
Am 25. Juni kehrten wir nach Göttingen zurück, fingen unsere 
Studien wieder an, sahen, wie ein Prorektor gewählt wurde, nahmen 
an mehreren akademischen Disputationen teil und machten einige 
Ausflüge nach Hardenberg, Marienstein und anderen Orten in der 
Nähe. 
Am 22. August gab es eine kleine Bataille in unserm Hause. 
Unser Hauswirt, der alte Grätzel, war der Todfeind eines gewissen 
Scharff!), bei dem Frau v. Wittorff wohnte. Als dieser nun 
nach einem Besuch bei uns die Treppe herunterkam, ließ Grätzel 
ihn durch seinen Sohn überfallen, der ihm eine furchtbare Ohrfeige 
gab. Unsere Diener mischten sich in den Streit, und es hagelte 
Schläge von allen Seiten. 
Herr v. Wittorff erhielt eine sehr günstige Gelegenheit, eine 
Rolle zu spielen, indem er den jungen Grätzel durch Vermittlung 
des alten Generals Block?) verhaften ließ. Man machte eine furcht— 
bare Affäre aus der Geschichte. Relationen gingen nach Kassel, 
Hannover ete., und das Ende vom Lied war, daß der junge Mensch 
in Haft (maison de correction) kam. 
Am 8. September kam meine Mutter wieder zum Geburtstag 
meines jüngsten Bruders, der am 11. durch einen Ausflug nach 
der Rasemühle gefeiert wurde. Am Abend gabs Musik bei Frau 
o. Wittorff, die Herr Scharff, der Feind der Grätzels, ver— 
anstaltete. Am 13. fuhr meine Mutter wieder nach Kassel. Am 
17. wurde das Jahresfest der Universität mit vielen Reden und 
stundenlangen Zeremonien gefeiert. Am nächsten Tag wurde Herr 
o. Wittorff auf Befehl meines Großvaters nach Wilhelmstal ge⸗— 
rufen. Am 22. September kehrte er zurück mit der Nachricht, daß 
unser Aufenthalt in Göttingen zu Ende sei. Binnen kurzem sollten 
sollten wir nach Kassel gehen, aber nur um Abschied zu nehmen 
und uns zur Reise nach Kopenhagen vorzubereiten, wo wir von 
nun an wohnen sollten. Das Neue an der Sache und das Ver— 
gnügen, unsern langweiligen Aufenthaltsort zu verlassen, ließ uns 
die Nachricht sehr angenehm erscheinen, obwohl sie eine weite Treu— 
1) über die Feindschaft der Tuchfabrikanten Grätzel und Scharff, die schon 
im J. 1753 zu einem heftigen Zusammenstoß und zeitweiligen Arrest von Grätzel 
geführt hatte, vgl. den Bericht von Bärens im Jahrb. d. Gesch. Ver. f. Göttingen 
1.64f. Scharffs Haus lag am Papendiek, jetzige Nr. 17, Ecke Petrosilienstraße. 
2) Gen. Mai. Joh. Henrich Block war 1748 —57 Kommandant von Göttingen.
	        
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