Die hessischen Prinzen in Göttingen 1754 -56.
Von
Philivno Loich.
Im Herbst 1754 wurde in Kassel bekannt, daß der einzige Sohn
des regierenden Landgrafen, der Erbprinz Friedrich von Hessen zum
Katholizismus übergetreten sei. Der streng reformierte Landgraf
Wilhelm VIII. tat sofort alle nötigen Schritte, um alle seinem Lande
und Hause durch diese Konversion drohenden Gefahren abzuwenden.
Dazu gehörte auch die Trennung des Erbprinzen von seiner Familie.
Aus seiner Ehe mit Maria, der Tochter Georgs II. von England, hatte
der Erbprinz drei Söhne, Wilhelm, Carl und Friedrich, im
Alter von 11, 10 und 7 Jahren, die, um jede Berührung mit dem
catholischen Vater zu vermeiden, außer Landes „in Sicherheit gebracht“
werden mußten. Als Aufenthaltsort wählte der Landgraf schließlich
Höttingen, das den Vorzug hatte, nicht zu weit von Kassel und dabei
im Machtbereich des anderen Großvaters der Prinzen zu liegen. Die
Abreise von Kassel erfolgte am 20. Dezember 1754 und die Kasseler
Bürgerschützen gaben den Prinzen das Geleit bis über die Grenze
nach Münden, wo beim General v. Spörcken die erste Rast stattfand.
Am Mittag des folgenden Tages trafen die Reisenden in Göttingen ein.
Göttingen war bei der Gründung der Universität 1734 ein recht
armseliges Nest mit meist nur kleinen Holzhäusern, in dessen schmutzigen,
ungepflasterten Straßen die 2—2300 Studenten der neuen Universität
bei schlechtem Wetter Gefahr liefen, im Schlamme zu versinken. Aber
es war seitdem viel zur Hebung Göttingens geschehen. Insbesondere
an der sog. Güldenen Straße durch die Masch von der Leine zum
Festungswall waren in der letzten Zeit einige neue Häuser erbaut,
unter denen das Grätzel'sche dreistöckige Haus mit seinem schönen
Säulenportal) das weitaus stattlichste war, mit dessen innerer und
1) Seit 1920 Eigentum der Stadt, seit 1925 wieder Haus Grätzel benannt,
Allee Nr. 8, 1741 erbaut. Auf dem gegenüberliegenden Grundstücke, wo später
das Haus erbaut wurde, in dem die Brüder Grimm wohnten, befand sich die
Grätzel'sche Tuchfabrik.