Full text: Der Zopf und seine Renaissance

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Losch, Der Zopf und seine Renaissanee 
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Seit 1793 war der Landgraf preußischer Feldmarschall und Gouverneur 
von Wesel. Als solcher kam er regelmäßig zur Inspektion nach Westfalen 
und an den Rhein, und die öftere Berührung mit dem preußischen Militär 
bestärkte ihn in seinem Hang zum Gamaschendienst und Uniformenkram. Aus 
dieser Zeit stammt auch seine Vorliebe für den Zopf, der für ihn zum 
Schibboleth des guten alten, vom Schwindelgeist unberührten Deutschtums 
geworden war, seitdem die Jakobiner ihn sich abgeschnitten hatten. 
Der spätere Bischof Eylert erzählt, daß der Landgraf⸗-⸗Kurfürst bei seinen 
westfälischen Besichtigungsreisen die eigentliche Nevue auf die Inspektion der 
Zöpfe beschränkt und diese höchsteigenhändig mittels eines Normalmaßes nach 
Länge und Dicke gemessen habe. Wenige fanden dabei als normal Gnade 
vor seinen Augen, er habe aber einem Regimentschef zu Hamm bei einer 
solchen Gelegenheit tröstend gesagt: „Ach, Herr General, es ist grausam 
schwer, einen guten Zopf zu machen!“ 
Daß Wilhelm dabei ein sehr scharfer Kritiker preußischer Heereseinrichtungen 
war, der namentlich die brutale Härte der Vorgesetzten dem gemeinen Manne 
zegenüber aufs schärfste verurteilte und soweit er vermochte zu mildern suchte, 
das war allerdings dem damaligen Pfarrer Eylert nicht bekannt. Voller 
Entrüstung erzählt der Landgraf von seinem ersten Besuch in Wesel, daß er 
drei Wochen lang von nichts anderem als von grausamen Exekutionen gegen 
die armen Soldaten habe sprechen hören, die der Fuchtel des bizarren und 
grausamen Generals v. Köthen durch massenhafte Desertionsversuche zu ent⸗ 
zehen suchten. 
Doch bei alledem waren die Außerlichkeiten des preußischen Militärwesens 
für den Hessenfürsten unantastbar. Er suchte sie eher noch zu überbieten, und 
als die Preußen anfingen, kleine Anderungen an Montur und Frisur vor⸗ 
zunehmen, da hinkte man in Hessen nur zögernd nach. Die Schläfenlocken 
waren, wie oben erwähnt, in Preußen bereits 1798 abgeschafft. In Hessen 
entschloß sich der Kurfürst erst 1802 zu dieser Reform nicht ohne Bedenken, 
und sah streng darauf, daß bei der wichtigen Amputation der boucles dennoch 
toujours un air de propreté gewahrt wurde. „Es wird eine ewig denk⸗ 
würdige Epoche in der hessischen Militärgeschichte bleiben,“ schrieb ein un⸗ 
bekannt gebliebener boshafter Kritiker des alten Regimes in Hessen, „wie 
der Zopf, der bisher bis unter das Kreuz herunterhing, nun die Hälfte ab— 
gekürzt wurde, wie die Locken den gekräuselten Haaren Platz machen mußten. 
Es bedurfte drey Tage, ehe sich das Militair von seinem Erstaunen erholen 
konnte. Allein diese Veränderung war auch mit einer Jahre langen Arbeit 
oerknüpft, ehe sie gehörig in Gang kam ... Endlich erschien ein Definitiv 
gesetz, das die Sache mit einem Mahl ins Reine brachte. Hier war ein 
Maas beigelegt, das die Länge, ein andres, welches die Dicke bestimmte. 
Hier war abgezeichnet, wie lang das Band hinten herunter hängen und wie 
es ausgezackt sein sollte, wie endlich der Zopf oben mit drey Stecknadeln 
nach einem vorgeschriebenen Dreyeck befestigt seyn sollte.“ Propreté, Regle⸗
	        
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