Full text: Der Zopf und seine Renaissance

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Deutsche Revue 
bestreut, von dem jede Kompagnie für eine Revue einen halben Zentner mit 
sich führen mußte. Nach Friedrichs des Großen Tod wurden die preußischen 
Zöpfe kürzer, hatten aber 1803 immer noch eine ganz respektable Länge von 
12 Zoll, d. h. 12 Zoll waren umwickelt, ein Haarbüschel von 1 Zoll (früher 
z3 Zoll) blieb frei. Drei Jahre später wurden die Zöpfe abermals gekürzt 
auf 4-5 Zoll und reichten nur noch bis zum unteren Kragenrand. Die 
Offiziere trugen seit 1796 am Zopfansatz eine schwarzseidene Schleife, die so⸗ 
genannte Zopfkokarde, die unter dem Einfluß der Mode immer mehr zusammen⸗ 
schrumpfte, sehr zum Mißfallen mancher Regimentskommandeure, die vergebens 
gegen diese Neuerung ankämpften. So erließ der Oberst des J. Bataillons 
Garde am 25. März 1806 einen Befehl: „Die Herren Officiers sollen ihre Zopf⸗ 
rocarden, besonders diejenigen, so die Größe einer Fliege haben, vergrößern.“ 
AÄberhaupt machten die vom Westen kommenden Auswüchse der Mode, die 
gar nicht zu der reglementsmäßigen Haartracht passen wollten, den Hütern 
der alten Observanz viel zu schaffen. In einem Parolebefehl vom 2. März 
1802 bekannte der Kommandeur der Gardedukorps v. Wintzingerode: „Ich 
bin zwar nicht orthodox genug zu glauben, daß ein Officier am Tage der 
Bataille trotz seines krausgelockten Kopfes mit Crochets und Bandinen vor 
der Stirn gleich einem gehörnten Siegfried und einem Soupson von Zopf, 
auf dem man die winzig kleine Cocarde kaum mit einem Tubus erkennen 
kann, nicht eben so klug und tapfer sei als ein andrer“, schärfte aber nach 
diesem Geständnis seinen Offizieren die Montierungsvorschriften doch noch 
einmal gründlich ein. 
Trotz all solcher Versuche, die historische Haartracht gegen die Mode— 
revolution zu sichern, war der Zopf nicht mehr zu retten. Der Tag von 
Jena besiegelte seinen Untergang. Bei der Reorganisierung der geschlagenen 
Armee brütete der König Friedrich Wilhelm III. über die neuen Monturen, 
and im April 1807 wurden die Zöpfe überhaupt abgeschafft und die Haare 
kurz geschnitten. Das Pudern hielt sich etwas länger, wenigstens für Parade⸗ 
zwecke, und fand erst 1812 sein Ende. 
Der österre ichische Zopf war schon vor dem preußischen gefallen, ob⸗ 
wohl er sich, vor allem beim Offizierkorps, im kaiserlichen Heere erst viel später 
durchgesetzt hatte als in Preußen. Die Feldherren Maria Theresiens hatten 
meist noch die große Perücke getragen, und erst Kaiser Joseph sie abgelegt. 
Dann war die Zopfwirtschaft bei den Kaiserlichen ähnlich gewesen wie in 
Preußen, wenn auch mit einem starken Einschlag österreichischer Gemütlichkeit. 
„Der Haarzopf ist dem obern Theil der Bindelschnalle gleich zu binden,“ 
lautete die Vorschrift, „und hat im Bande 1 Schuh, die unten herausstehenden 
Haare aber nicht mehr als 2 Zoll, somit 14 Zoll lang zu sein, auch bleiben 
die Zöpfe in ihrer natürlichen Dicke, ohne einen falschen Zopf einzubinden.“ 
Gegen die letzte Regel wurde aber wie überall stark gesündigt. In einer 
dagegen eifernden Order hieß es vorwurfsvoll: „Man hat versichern wollen, 
daß Regimenter seien, wo manche Leute hölzerne Haarzöpfe unter dem Bande
	        
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