Losch, Der Zopf und seine Renaissanee 171
bei den Männern aufgekommen, eine „wälsche Art“, gegen die Philander
von Sittewald in seinem „A la mode Kehrauß“ vergeblich eiferte: „Warumb
muß dir das Haar also lang über die Schultern herabhangen? warumb lastu
es nit kurtz beschneiden auff teutsche weise? oder doch, so du es länger tragen
wolltest, überm Kopff einschlüpffen, als bey uns der brauch ist?“ Diese Mode
war den Männern im täglichen Leben, im Beruf und bei der Arbeit oft
lästig und unbequem, weshalb man die flatternden Haare durch aufgesteckte
ämme oder Bänder zu bändigen pflegte. Als die Perücke aufkam, wurde
sie nur zum Staate und bei feierlichen Aktionen getragen, bei der Arbeit aber
abgelegt, soweit sich der gemeine Mann überhaupt zu ihr verstand. Bei den
Soldaten konnte die Perücke, namentlich in ihren gewaltigen Dimensionen
und bei den erheblichen Kosten, die sie beanspruchte, keinen rechten Eingang
finden; nur die à la modischen Offiziere trugen sie so lange, bis der Zopf
seinen Eroberungszug durch die europäischen Heere machte. Polnische und
ungarische Krieger hatten ihre Haare schon früher in Zöpfe geflochten, wobei
die ungarischen Husaren sogar drei Zöpfe zu tragen pflegten, zwei an der
Seite und einen im Nacken, die als ein bewährter Schutz gegen die Hals-
und Nackenhiebe der Türkensäbel galten.
Vom preußischen Heere, wo Friedrich Wilhelm J. den Zopf offiziell
einführte, verbreitete sich der Zopf über alle europäischen Armeen und drang
von hier auch in die Zivilbevölkerung ein. Bedeutete diese Modewandlung
damals doch eine entschiedene Neform gegenüber dem Perückenwesen, das
mehr und mehr der Lächerlichkeit verfiel, wenn auch die Perücke noch lange
(am längsten wohl in England) bei Staatsaktionen ihre alte Rolle behielt, in
ihrer Form sich aber auch der Haarbeutel- und Zopftracht anpaßte. X
Hsterreich war Kaiser Joseph II. der erste, der die alte spanische Perücke an
den Nagel hing und mit dem Zopfe vertauschte.
Das klassische Land der Zöpfe aber war und blieb Preußen. Hier
erreichte der Zopf, wenn man so sagen darf, seine höchste Blüte und seine
größte Länge. Das war zur Zeit Friedrichs des Großen, unter dem die
Soldatenzöpfe bis tief auf das Kreuz herabhingen. Was einmal eine Reform
gewesen war, wurde zu einer lästigen Plage und gab Anlaß zu einer wahren
Menschenschinderei. Die Zöpfe waren ursprünglich geflochten, wurden später
rund gedreht und mit einem Band umwickelt. Um die vorschrifts mäßige
Länge herauszubringen, die von Offizieren und Unteroffizieren genau mit dem
an dem Stocke angebrachten Zollmaß gemessen wurde, war es oft nötig, die
Zöpfe durch eingeflochtene Pferdehaare künstlich zu verlängern. Das Flechten,
Wickeln und Binden gehörte mit zu den wichtigsten Obliegenheiten der armen
Paradepuppen. Dazu kam noch der schwierige Bau der kunstvollen Schläfen⸗
locken, boucles oder Taubenflügel, über den Ohren, drei bis fünf an jeder
Seite, die später nach Friedrichs II. Zeit auf je zwei boueles reduziert und
1798 ganz abgeschafft wurden. Die ganze kunstvolle Frisur wurde schließlich
lunter strenger Schonung des Zopfbandes l) noch verschwenderisch mit Puder