Losch, Der Zopf und seine Renaissance 181
Die poetische Verspottung der Zöpfe durch Chamisso, Heine und Immer—⸗
mann erlebte der alte Kurfürst nicht mehr. Chamissos „tragische Ge—
schichte“ von „einem, dem's zu Herzen ging, daß ihm der Zopf so hinten hing“
(1823 war wohl auch kaum speziell auf den hessischen Zopf gemünzt.
Immermann dagegen setzte ihm 1838 im 13. Kapitel seines Münchhausen
in der Geschichte von den sechs verbundenen Zöpfen der kurhessischen Gebrüder
Piepmeyer ein Denkmal, und Heine besang die „Zeit der alten Katten, die
lange Zöpfe hatten“ in seiner Fabel „Aus der Zopfzeit“, in der zwei Kasseler
Ratten dem „edlen Philozopf“ schließlich das boshafte Versprechen geben:
Und stirbst du einst, auf deinem Grab
Wir schneiden uns traurig die Schwänze ab
Und flechten sie um dein Haupt als Kranz;
Dein Lorbeer sei ein Rattenschwanz.
Den alten Fürsten hätten diese poetischen Angriffe, wenn er sie noch er—
lebt hätte, auch kaum berührt. Die öffentliche Tagesmeinung hatte ihn stets
wenig gekümmert, er pflegte dem Zeitgeist keine Konzessionen zu machen. So
dauerte die Renaissancezeit der Zöpfe in Kurhessen volle sieben Jahre bis
zum 27. Februar 1821, dem Tage, an dem der alte Herr der „immer ver—⸗
drehter werdenden Welt“, in der er sich nicht mehr zurecht fand, Valet sagte.
Und noch einige Tage länger. Denn der neue Kurfürst Wilhelm II., der
aus Abneigung gegen den Zopf zum Ärger seines Vaters in Kassel oft
preußische Uniform getragen hatte, zeigte doch so viel Pietät gegen den Ver—
storbenen, daß er die geplanten Neuerungen bis nach dessen Beisetzung ver—
schob. Im Gegensatz zu der schlichten und kärglichen Lebensführung des
Alten fand die Leichenfeier am 14. März 1821 mit ungewöhnlichem Prunk
statt. Mehr als 2500 Mann Soldaten waren dazu aufgeboten und mußten zum
Teil neu eingekleidet und extra neu mit Zöpfen versehen werden, um in diesem
Schmucke den Leichenzug zu der Gruft in der Löwenburg zu geleiten, wo die
kleine Leibschweizergarde in flächsernen Allongeperücken vor ihrem toten Herrn
zum letzten Male salutierte.
Tags darauf, am 15. März 1821, erschien eine Order des neuen Kur—⸗
fürsten: Die bisher getragenen Haarzöpfe mit dem Haarpuder
cessiren für die sämtlichen Truppen.“ Daß dann die Fulda auf ihren
Wellen Tausende von abgeschnittenen kurhessischen Zöpfen bis zur hannöverschen
Grenze getragen habe, gehört zu den vielen Zopflegenden. Dagegen ver—
brannten die Soldaten auf den Kasseler Kasernenplätzen ihre Zöpfe, um durch
dies übelduftende Autodafé den Anbruch der neuen zopflosen Zeit zu feiern.
Sie erfüllte bei weitem nicht alle Hoffnungen, selbst nicht beim Militär,
dessen vorher sehr knapp gehaltene Offiziere zunächst freilich sozusagen im
Überflusse schwammen, aber auch jetzt nicht in schrankenloser Willkür der
Modegöttin huldigen durften. Denn als nachmals der Leutnant v. Baumbach
von der Leibgarde dem neuen Kurfürsten „in ganz vorschriftswidrigem Anzug