Full text: Der Zopf und seine Renaissance

Losch, Der Zopf und seine Renaissanee 179 
wegen lose geschraubten Schlösser rasselten, und schrieb glückselig in sein Tage⸗ 
buch: „Es war mir zu Muthe, als sei ich überhaupt niemals von Cassel fort 
gewesen.“ Auch die Kasselaner hatten sich an den Anblick der alten, steifen 
Gardisten, die ihren Zopf meist noch aus früherer Zeit gerettet hatten, bald 
wieder gewöhnt. Es gab ja noch manch anderen Zopf im Lande, und gegen 
die ganze Geschichte wäre auch nicht viel einzuwenden gewesen, da sieben 
Jahre immerhin kein Menschenalter ausmachen und die altmodische Ver— 
mummung sogenannter Haustruppen zu allen Zeiten zu den beliebten Spielereien 
hoher Herren gehörte.) Anders aber wurde es nach der Rückkehr der Feld⸗ 
truppen aus dem Kriege. Da gab es natürlich gegenseitige Häkeleien wegen 
der Uniformunterschiede. Die Gardisten sahen voll Hochmut auf die grauen 
Hosen der Liniensoldaten, und diese machten ihre Witze über die RNatten⸗ 
schwänze der Garde. Diese Anzuträglichkeiten zu beseitigen, mußte ein Aus— 
gleich der Unterschiede stattfinden, und dabei siegte natürlich das Alte, der 
Zopf. Am 2. Januar 1816 erschien eine kurfürstliche Order, in der es hieß: 
„Die Hinterhaare werden bei den Leuten nicht mehr geschnitten, und sollen 
so bald wie möglich wieder wie sonst Zöpfe eingebunden wer— 
den ... Diejenigen Regimenter, welche zuerst nach meiner Ordre angezogen 
sein werden, erhalten auch zuerst meine Approbation und deren Commandeurs 
werden sich besonders recommandiren“, schloß der denkwürdige Akas, der im 
wahrsten Sinne des Wortes viel Staub aufwirbelte, da auch das Pudern 
(für die Offiziere allgemein, für die Mannschaften bei der Parade) wieder 
eingeführt wurde. Die kurhessischen Zöpfe waren übrigens nicht so enorm, 
wie die Fama sie gemacht hat. Nur die Gardezöpfe waren 15 Zoll lang, 
„nämlich 1 Zoll vom Kopf abstehend, 13 Zoll gewickelt und die Haardolle 1 Zoll 
lang“. Die Zöpfe der übrigen Soldaten waren bescheidener, reichten nur bis über 
den unteren Rand des Nockkragens und hatten keinen „Schlucker“, der durch 
drei kreuzweise gesteckte gelbe Steckna deln ersetzt wurde. Die Zöpfe mußten aber 
selbst von den kleinen Kadetten getragen werden und waren jedenfalls, vor allem 
der Jugend des ganzen Offizierskorps, eine sehr lästige Dekoration. Da die Natur 
der kurfürstlichen Order nicht überall durch üppiges Wachstum der Haare ent⸗ 
gegenkam, so behalf man sich vielfach mit falschen, sogenannten Patentz öpfen, 
wie das schon vor 1807 auch bei den preußischen Offizieren üblich gewesen war. 
Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, daß, wie Eingeweihte wissen wollten, 
auch die Nackenzier Serenissimi Hlectoris nicht ganz echt war. Der Hanauer 
Mineraloge Leonhard überraschte einmal den Kurfürsten im Negligé und 
weidete sich an der Verlegenheit des alten Herrn, der vergebens dadurch, daß 
er sich dicht an der Wand hielt, das Manko seiner Frisur zu verbergen suchte. 
Man denke nur an die Blechmützen russischer und preußischer Garderegimenter, 
die Bärenmützen englischer und dänischer Soldaten, die Kostüme der schottischen High— 
lander, der bayerischen und österreichischen Hartschiere, der päpstlichen Schweizer und 
lasst, not least an die von Wilhelm II. in den neunziger Jahren wieder eingeführten Zöpfe 
der preußischen Schloßgardekompagnie!
	        
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