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Deutsche Revue
kündet sie. Mit ihr wird Papst Gregor VII. zum Herrn und geistigen Mittel-
punkte der Kapelle gemacht, in der er begraben liegt. Er war mit Robert
Guiscard aus dem verwüsteten Rom nach Salerno geflüchtet und ist hier am
25. Mai 108 gestorben, acht Jahre nach seinem großen Triumph in Canossa.
Sein Grab geriet in Vergessenheit, wurde dann aber 1578 durch den Erz-
bischof Colonna pietätvoll erneuert. So tritt Gregors bedeutende, drohende
Gestalt nun am Orte seines Grabes beherrschend hervor, an den ersten großen
Sieg eines Papstes über das Kaisertum gemahnend. And sie tut es in einer
Kapelle, die der Freund und Berater der letzten, endgültig von der Kirche
besiegten Hohenstaufen gestiftet hat. In der doppelten Beziehung auf Hein—
richs IV. Bußgang nach Canossa und auf den AUntergang eines großen Herr⸗
schergeschlechtes, beide besiegt von der gleichen unerbittlichen Macht, liegt
eine tiefe Tragik, die dem engen Kirchenraum eine weltgeschichtliche Größe
verleiht. Und mehr noch als das: an Giovanni da Procida's Namen knüpft
sich der Glauben, daß durch ihn hauptsächlich die Sizilianische Vesper, die furcht⸗
bar blutige NRache für die gleich grausame Rache der Kirche, herbeigeführt
worden sei. Dieser Überlieferung bestreitet man jetzt freilich die Wahrheit,
aber darum ist sie doch vorhanden und wirkt nach in den Seelen der Menschen.
Und so meint man hier das Walten einer gerechten, richtenden Gottheit ahnungs⸗
ooll zu spüren. Anfang und Ende jenes ein paar Jahrhunderte durchtobenden
Kampfes, in dem Papst und Kaiser immer leidenschaftlicher um die Vorherr⸗
schaft rangen, stehen in der stillen Kapelle mit gleicher Deutlichkeit neben⸗
einander. Ein Glied schließt sich in der großen Kette der Geschichte, deren
Klirren mächtig hintönt über die vor Schrecken und Furcht erbebende Welt.
LANDIES-
BIBLIOTIIMer Zopf und seine Renaissance
XASSEL
Dr. Philipp Losch
Væe hundert Jahren fielen in Deutschland die letzten Soldatenzöpfe.
Wer ihn eigentlich erfunden hat, den sonderbaren Nackenschmuck des
Kriegers, der über ein Jahrhundert lang eine so wichtige Rolle im militärischen
Leben spielte, darüber sind sich die Gelehrten noch nicht einig. Es war wohl
kaum der preußische Soldatenkönig, dem man gewöhnlich dies Verdienst zu⸗
schreibt, weil unter ihm der Zopf besonders hoch in Ehren stand; denn schon
ehe das Bildnis Friedrich Wilhelms J. auf den sogenannten „Schwanz dukaten“
von 1718 mit dem Zopfe erschien, schon unter seinem Vorgänger gab es
Zöpfe in der preußischen Armee und nicht nur in dieser. Von einer eigent—
lichen Erfindung kann man überhaupt nicht reden; der Zopf verdankte rein
oraktischen Rücksichten seine Entstehung. Während des 17. Jahrhunderts war
die Mode, das Haupthaar lang, bis auf den Nacken herabfallend, zu tragen—