Full text: Landgräfin Anna von Hessen

Landgräfin Anna von Hessen 723 
 
als strenger Hüter des Reglements und der Etikette. Die junge, schöne 
Schwiegertochter mit ihrem lebhaften Temperament, ihrer Begeisterung für 
alles Schöne, namentlich für die von ihr leidenschaftlich geliebte und ge⹀ 
pflegte Kunst der Töne, brachte einen neuen, frischen Zug in das reglement⹀ 
mäßige Leben zu Kopenhagen und Charlottenlund. Prinzessin Anna war 
selbst eine vortreffliche Klavierspielerin, und wie sie in Weimar begeistert 
zu den Füßen Liszts gesessen und in Baden⹀Baden mit der Gräfin Marie 
Kalergis Zukunftsmusik geschwärmt hatte, so wanderten jetzt in dem 
hessischen Musensitz in der Bredgade die musikalischen Größen des skandinavi⹀ 
schen Nordens, wie Hartmann, Gade und andere mit minder berühm⹀ 
ten Namen aus und ein. Von ausländischen Künstlern gehörte namentlich 
Rubinstein, gleich gefeiert als Virtuose und Komponist, zeitweise zu den 
verwöhnten Gästen des musikalischen Prinzenhofes ebenso wie die böhmischen 
Geschwister Neruda. Mit den führenden Kreisen der damaligen dänischen 
Politik stand das Haus des Landgrafen Wilhelm durch die Heirat seiner 
jüngsten Tochter Auguste mit dem Minister Karl Friedrich v. Blixen⹀ 
Finecke noch in besonders enger Verbindung. Man hatte die erst durch 
die vorherige Scheidung Blixens von seiner ersten Frau ermöglichte Heirat 
im Kreise der Verwandten nicht allzu gern gesehen, mußte sich aber darein 
finden, da die Prinzessin nicht von dem hochbegabten, faszinierenden pommer⹀ 
schen Edelmann lassen wollte, der dann als Ritter des Danebrogs sein 
Wappenschild mit der doppeldeutigen Devise ‚Per Angusta ad Augusta‘ 
zieren durfte. 
Die Sommermonate verbrachte Prinz Friedrich mit seiner Gemahlin 
entweder zu Charlottenlund, dem Sommersitz der landgräflichen 
Familie, oder in den holsteinischen Buchenwäldern des Schlosses Panker, 
das nach dem Aussterben der aus dem Blute des Landgrafen⹀Königs 
Friedrichs I. entsprossenen* Fürsten Hessenstein in den Besitz der 
Familie gekommen war. 
Trotz der vielen Annehmlichkeiten des Kopenhagener Lebens, wo die 
Hessen alle Ehren der nächsten Verwandten des Königshauses genossen, 
fühlte sich Prinzessin Anna nie ganz heimisch in Dänemark, ‚wo man 
den Eisbären so nahe ist‘, wie sie an den Kurfürsten schrieb. ‚Kopenhagen 
macht einen trübseligen Eindruck, — wie erst, wenn man aus Hessen 
kommt!‘ Als zukünftige Landesmutter Hessens hatte sie den lebhaften 
Wunsch, dort zu leben, zumal sie von jedem ihrer kurzen Besuche in Kassel 
und Wilhelmshöhe entzückt und begeistert zurückkam. Dem Kur⹀ 
fürsten gegenüber machte sie kein Hehl aus diesem Wunsche, schrieb oft 
an ihn darüber und wußte auch durch ihr Lob des hessischen Landes die 
rechte Saite in ihm anzuschlagen. Der Kurfürst war stolz auf seine Resi⹀ 
denz und darum sehr empfänglich für ihren Preis, hörte es auch nicht 
__________ 
* Aus seiner Verbindung mit der Gräfin Taube. Der letzte Fürst Hessenstein 
starb 1808.
	        
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