722 Philipp Losch
um am Einzug des neuvermählten Prinzen Friedrich Wilhelm und
seiner jungen Gemahlin Viktoria von England teilzunehmen. Nach
einem kurzen Abstecher nach Weimar zu der alten Großherzogin Maria
Pawlowna folgte ein längerer Aufenthalt in Dänemark und Holstein
und dann im Herbst eine längere Reise nach Italien, das schon längst
das Sehnsuchtsziel der Prinzessin war. In Venedig schwelgte man in dem
romantischen Zauber der alten Lagunenstadt, in Mailand traf man den
darmstädtischen Vetter Prinzen Alexander und lernte sein Familienglück
mit der Gräfin Battenberg und ihren Kindern kennen, dann ging
es von Genua zur See über Pisa und Florenz nach Rom und Neapel,
wo das Weihnachtsfest in echt deutscher Weise gefeiert wurde, und König
Ferdinand die hohen Reisenden zu Caserta empfing. Aber einen be⹀
deutenderen Eindruck als die vierschrötige Gestalt des Rè Bomba machte
auf die Prinzessin die Gestalt Pius IX., der bei einer Audienz auf der
Rückreise den ganzen Zauber seiner Liebenswürdigkeit entfaltete, eine Be⹀
gegnung, die ihr unvergeßlich blieb, wenn auch damals noch niemand ahnte,
daß die Fürstin dermaleinst den Weg zu der Kirche finden würde, die in
dem Papste ihr sichtbares Oberhaupt verehrt. Auf der Heimfahrt lernte
man noch den Erzherzog Maximilian, den späteren Kaiser von
Mexiko, kennen, dann schloß die große Reise mit einem glänzenden Empfange
am Kaiserhofe Franz Josephs zu Wien, wo sich bereits die Vorboten des
nahenden Krieges mit Frankreich und Piemont deutlich bemerkbar machten.
Der Sommer und Herbst des Jahres sah das Prinzenpaar in Berlin, Baden⹀
Baden, Rumpenheim (von wo man am 13. Juni das Lamboyfest der
Hanauer mitmachte), Kassel, und dann ging es nach Kopenhagen zurück.
Die nordische Hauptstadt am Sund war das eigentliche Standquartier
des reiselustigen Prinzenpaares und hier wurden auch seine drei ältesten
Kinder: Prinz Wilhelm (15. X. 1854), Prinzessin Elisabeth (13. VI.
1861) und Prinz Alexander (25. I. 1863) geboren. Seit über 100 Jahren
war das hessische Fürstenhaus am dänischen Hofe heimisch, seitdem die drei
Söhne des katholisch gewordenen Landgrafen Friedrichs II. am Hofe ihres
Onkels Friedrichs V. eine Freistatt gefunden hatten, wo ihr Großvater, der
streng reformierte Landgraf Wilhelm VIII., sie vor den gefürchteten Um⹀
trieben der Jesuiten sicher wähnte. Zwei von den hessischen Prinzen waren
die Schwiegersöhne König Friedrichs V. geworden, und in der Folgezeit hatten
weitere eheliche Verbindungen das verwandtschaftliche und freundschaftliche
Verhältnis der Häuser Gottorp und Brabant noch enger und inniger gestaltet.
Im politischen und militärischen Leben Dänemarks spielten die Hessen eine
verhältnismäßig nicht unbedeutende Rolle, und der alte Landgraf Wil⹀
helm, der Vater des Prinzen Friedrich, genoß nicht nur als langjähriger
Gouverneur von Kopenhagen, sondern auch als Vater der zukünftigen Königin
von Dänemark großes Ansehen und Popularität. Er war ein etwas alt⹀
fränkischer Herr, so recht der Typus der guten alten Zeit, ein eifriger Samm⹀
ler von Schnupftabaksdosen und Pretiosen und am Hofe ziemlich gefürchtet