718 Philipp Losch
bindung. Statt seiner warb um sie ein anderer Prinz Friedrich Wil⹀
helm, der einzige Sohn des Landgrafen Wilhelm von Hessen, der
seit der morganatischen Ehe des Kurfürsten und nach dem Tode seines
Vetters, des Landgrafen Friedrich (gest. 1845) die Anwartschaft auf den
hessischen Kurhut hatte, und sie nahm seine Werbung am 4. November 1852
an. Prinz Friedrich Wilhelm, gewöhnlich nur Friedrich genannt (geb.
26. Nov. 1820), war fast doppelt so alt wie seine Braut und schon einmal
verheiratet gewesen mit der Großfürstin Alexandra Nikolajewna,
der Tochter Nikolaus I. von Rußland, aber diese erste, im Januar 1844
zu Petersburg geschlossene Ehe hatte nur wenige Monate gedauert. Seit
neun Jahren war der Prinz Witwer, und seine erste Gemahlin ruhte im
Parke zu Zarskoje Selo mit ihrem Söhnchen, dessen zu frühe Geburt
Mutter und Kind das Leben gekostet hatte. Nur die Würde eines Chefs
des Marjupolschen Husarenregiments, in dessen kleidsamer Uniform sich
der stattliche Prinz zu Petersburg von W. Hau malen ließ, erinnerte noch
an die kurze russische Episode seines Lebens.
Die Verwandtschaft mit dem mächtigen Kaiser Nikolaus hatte den
doppelten Thronfolgehoffnungen Friedrichs einen starken Rückhalt verliehen.
Hatte er doch nicht nur die Anwartschaft auf den hessischen Kurhut,
sondern auch auf die dänische Königskrone, die ihm als dem Sohn
der dänischen Prinzessin Charlotte beim Aussterben des regierenden Königs⹀
hauses in Aussicht stand. Da diese Krone aber zu einem Zankapfel nicht
nur für den Frieden Dänemarks, sondern auch Europas zu werden drohte,
so verzichtete Prinz Friedrich in uneigennütziger Weise — ‚für eine Kiste
Zigarren‘ höhnten die Kopenhager Hofschranzen* — am 18. Juli 1851
auf seine Ansprüche zu Gunsten seiner Schwester Louise, die seit 1842
mit dem Prinzen Christian von Holstein⹀Glücksburg, dem
Sohne ebenfalls einer hessischen Prinzessin, Louise Karoline, vermählt war
und diesem dadurch später die Krone verschaffte.
Seit diesem Verzicht galt Prinz Friedrich nur noch als präsumtiver
Thronfolger in Kurhessen. Bei seiner zweiten Heirat erinnerte man sich
der früheren öfteren Verbindungen der Häuser Hohenzollern und Brabant.
Schon ehe die Nürnberger Burggrafen nach Brandenburg gekommen waren,
hatte Landgraf Hermann der Gelehrte eine Hohenzollerin gefreit, und später
war eine Schwester des Großen Kurfürsten, Hedwig Sophie, die Gemahlin
Wilhelms VI. von Hessen gewesen. Dessen Enkel Friedrich I. hatte in erster
Ehe eine Tochter des ersten preußischen Königs zur Frau, und Landgraf
Friedrichs II. zweite Gemahlin Philippine war wenigstens aus der Schwedter
Seitenlinie des preußischen Königshauses. Und war auch aus neuester Zeit
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* Er erhielt dänischerseits damals den Titel ‚Königliche Hoheit‘, den aber der
Kurfürst nicht anerkannte. Erst 1854 verlieh dieser den Nachkommen der jüngeren
Söhne Landgraf Friedrichs II. das Prädikat ‚Hoheit‘ statt der bisher gebräuchlichen
‚Durchlaucht‘.