Franz Johannes Weinrich: Ich steh am Zaun ... 731
gab sie in ihrer Frankfurter Wohnung in der Savignystraße ihren Geist auf.
Den Sarg der hohen Entschlafenen in der benachbarten Antoniuskirche um⹀
standen außer ihren Kindern und Enkeln, die Großherzöge von Hessen und
Baden und Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen, während Bischof Augusti⹀
nus Kilian von Limburg die Totenmesse zelebrierte und die weihevollen Töne
von Caldaras Crucifixus, Cherubinis Requiem und Brahms’ O bone Jesu
die Totenfeier der musikliebenden Fürstin begleiteten. Die Beisetzung er⹀
folgte nach letztwilliger Verfügung einfach und schlicht am 18. Juni im
Dome zu Fulda, wo ‚ihre Armseligkeit‘ — so pflegte die hohe Frau zuletzt
sich gern zu bezeichnen — im Bußgewande einer Schwester des dritten
Ordens des hl. Franziskus zu Grabe getragen wurde und nun im Schatten
des hl. Bonifatius vor dem Altar ihrer Namenspatronin, der hl. Anna, der
Auferstehung entgegenschllummert.
Ich steh am Zaun ..
Ich steh am Zaun von mir zu Dir
Und seh die Lampen glüh'n in Deinen Königreichen
Und seh Dich geh’n mit tausend Krügen,
Die Morgenröte auszureichen.
Gebete sind in Feuerflügen
Um Dich, o Nest, in Dir zu wohnen.
Kein Fältchen Deines Seins ist unbehaust.
Mich glüht kein Guß aus Deinen Krügen,
Wie kannst Du mich, den Wartegast, belohnen?
Ich steh am Zaun von mir zu Dir.
Wie wag ich, von Verwesung grau umgraust,
In Deine Wundenmale einzutauchen!
Ich bin Schakal und muß am Zaune fauchen,
Indes im Zelt das Mahl geschieht
Und Deine Einkehr braust.
O Sintflut brodelt auf in mir,
Dein Wort noch ist der Damm.
Wenn Du nicht Wasser mir ergräbst,
Wenn Du Dich höher in den Himmel hebst —
Thront in mir Legion: das Tier!
Sintflut, o Sintflut bricht aus mir,
Frißt Haus und Schnee und Lamm.
Franz Johannes Weinrich.
Bünau, M.Gfin: 39 Jahre ?
b. o. Landgrafin v. H. Ben, Mittler 1929