728 Philipp Losch
treten zu sehen, eine Ehe, der freilich keine lange Dauer beschieden war, da
der Erbprinz bereits am 2. Februar 1886 starb. Kurz nach der Hochzeit
seiner Tochter erkrankte der Landgraf Friedrich zu Adolphseck an
einem Magenleiden und starb am 14. Oktober 1884, vierundsechzig Jahre alt,
im seinem Palais zu Frankfurt, wohin er eben übergesiedelt war.
Mehr noch als diese kurz hintereinander folgenden Schicksalsschläge
traf die Landgräfin das unvermutete traurige Ende ihres ältesten Sohnes.
Mit mütterlicher Teilnahme hatte sie den Werdegang ihres Willy verfolgt,
der unter der Leitung des späteren Kasseler Generalsuperintendenten Lohr
eine, seinem damals noch unbezweifelten Beruf eines zukünftigen Kurfürsten
von Hessen entsprechende, besonders sorgfältige Erziehung genossen hatte.
Statt des Kurhutes winkte ihm aber nur das Portepée eines Leutnants der
preußischen Königshusaren, das er jedoch nicht lange trug. Nach dem Tode
seines Vaters ging der junge Landgraf auf Reisen, durchkreuzte in ruhe⹀
losen Fahrten die Ozeane der alten und neuen Welt, besuchte die Maharadschas
Indiens, war der erste westfürstliche Gast am Hofe des Mikados, wo man
eben anfing, das Hofzeremoniell des Okzidents nachzuäffen, und hier Ge⹀
legenheit fand, es mit Hilfe eines aus Berlin importierten Zeremonienmeisters
auszuprobieren, war in Australien und auf den Sundainseln und wurde
jetzt am Hofe des Königs von Siam erwartet, als am 15. Oktober 1888,
an seinem 34. Geburtstag, den man gerade zu Philippsruhe feierte, die
erschütternde Nachricht eintraf, daß der junge Fürst am Tage zuvor, am
Todestag seines Vaters, in den Wellen des indischen Ozeans sein Leben
geendet habe. Dieser tragische Unglücksfall war ein schwerer Schlag für
die Landgräfin, den sie nie ganz überwunden hat. Erst das Familienglück
ihres jüngsten Sohnes Friedrich Karl, der sich am 25. Januar 1893
mit Margarete von Preußen, der jüngsten Schwester des deutschen
Kaisers, vermählte, brachte ihrem Lebensabend neuen Sonnenschein, zumal
seitdem sechs blühende Enkelkinder, lauter Prinzen, darunter zwei Zwillings⹀
pärchen, die Großmutter umspielen durften. Ihr zweiter Sohn, Landgraf
Alexander, der neue Chef des Hauses Hessen⹀Kassel, blieb unvermählt.
Ihre jüngste Tochter, Prinzessin Sibylle, galt eine Zeit lang als die
Erwählte des russischen Thronfolgers Nikolaus Alexandrowitsch; doch blieb
sie vor dem Schicksal, an diesen unglücklichen letzten Kaiser des Hauses
Gottorp gefesselt zu werden, bewahrt und reichte statt dessen am 3. Sep⹀
tember 1898 einem einfachen Husarenleutnant, dem Freiherrn Friedrich
von Vincke, die Hand zum Ehebunde.
Seit dem Tode ihres Gemahles und namentlich seit dem unglücklichen
Ende ihres ältesten Sohnes lebte die Landgräfin Anna in stiller Zurück⹀
gezogenheit meist zu Frankfurt a. M. oder auf Adolphseck, dem ehemaligen
Sommerschloß der Fürstäbte von Fulda. Ihrer alten Liebe zur Musik blieb
sie treu, und mit regem Interesse verfolgte sie den künstlerischen Werdegang
ihres nunmehr ältesten Sohnes Alexander. Die Zeiten, wo sie selbst mit den
ersten Künstlern der Zeit zusammen musiziert hatte, wie in Baden⹀Baden,