Full text: Landgräfin Anna von Hessen

Landgräfin Anna von Hessen 727 
 
Stettin den Vermögensvertrag über das kurhessische Hausfideikommiß mit 
Preußen abschloß, ohne den Thronfolger dabei hinzuzuziehen oder auch nur 
zu erwähnen, da fühlte der oft Gekränkte sich an den Kurfürsten nicht 
mehr gebunden und nach dem Tode seines Vaters (5. Sept. 1867 zu 
Kopenhagen), der dies Entgegenkommen wohl nicht gezeigt haben würde, 
machte er seinen Frieden mit Preußen, der dann durch den Vertrag vom 
26. März 1873 sanktioniert wurde. Durch diesen erhielt er außer einer 
hohen Rente aus den Revenuen des kurfürstlichen Hausfideikommisses die 
Schlösser Philippsruhe, Fulda und Adolphseck und konnte, wenn auch 
unter sehr veränderten Umständen, mit seiner Familie in dem Lande seinen 
Wohnsitz nehmen, dessen Kurhut zu tragen ihm nun für immer versagt war. 
Der nunmehrigen Landgräfin Anna wurde es nicht leicht, sich 
an die veränderten Verhältnisse zu gewöhnen, da sie dem Hessenlande gerne 
die Landesmutter geworden wäre, die ihm so lange gefehlt hatte, und auch 
das Zeug in sich fühlte, dies Amt in würdiger Weise auszufüllen. Nach 
Kassel und Wilhelmshöhe kam sie nun nicht mehr. Als ihr die verwitwete 
Kaiserin Eugenie später schrieb, daß sie in Paris sei und sich glücklich fühle, 
die Stätten früheren Glückes wiederzusehen, da meinte die Landgräfin, 
das könnte sie nicht übers Herz bringen, und den gesprächsweise geäußerten 
Gedanken, daß ihr Gemahl doch vielleicht als preußischer Statthalter in 
Kassel leben könnte, soll sie entschieden zurückgewiesen haben. So blieb sie 
auf den Kreis ihrer Familie beschränkt. Zu den in Kopenhagen geborenen 
drei ältesten Kindern waren noch ein Sohn und zwei Töchter hinzugekom⹀ 
men, die auf Panker das Licht der Welt erblickten, Prinz Friedrich Karl 
(geb. 1. Mai 1868), der Patensohn ihres Bruders, und die beiden Prin⹀ 
zessinnen Marie (geb. 29. April 1872) und Sibylle (geb. 3. Juni 1877). 
An häuslichen Sorgen fehlte es nicht. Die beiden ältesten Söhne 
litten an den Augen und mußten in Graeffes geschickte Behandlung gegeben 
werden. Aber der Schmerz über das schwache Augenlicht ihres geliebten 
Alexander, ‚dessen Züge eigentlich die allerhübschesten sind‘, wie sie 
einst dem Kurfürsten schrieb, wurde durch die Freude darüber aufgewogen, 
daß gerade dieser Sohn das reichste Erbe ihres musikalischen Talentes mit⹀ 
bekommen hatte und sich im Laufe der Jahre zu einem hervorragenden Musiker 
und Künstler entwickelte, dessen virtuoses Spiel auf Geige, Klavier und 
Orgel die Mutter ebenso erfreute, wie seine früh begonnenen eigenen musi⹀ 
kalischen Kompositionen sie mit berechtigtem Stolz erfüllten. 
Am 16. August 1882 verlor die Landgräfin ihre zweitjüngste Tochter 
Marie, die im zarten Alter von zehn Jahren an einer Knochenmarkent⹀ 
zündung zu Kiel starb. Ein halbes Jahr später stand sie an der Bahre ihres 
Vaters, des Prinzen Karl von Preußen. Er starb am 21. Januar 1883 
an den Folgen eines Sturzes, den er merkwürdigerweise im ‚König von 
Preußen‘ zu Kassel getan hatte. Dafür hatte die Landgräfin im Mai des 
nächsten Jahres 1884 die Freude, ihre älteste Tochter Elisabeth mit 
dem Erbprinzen Leopold von Anhalt zu Philippsruhe an den Altar
	        
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