Full text: Der Kasseler Weinberg

9 
seitige Eingang zu dem schon erwähnten Kegelgarten. 
Dieser Garten war in den 580er Jahren von einer 
Gesellschaft Kasseler Bürger gemietet, welche eine 
Kegelbahn und später sogar eine kleine Bühne in 
demselben aufführen ließ, zu welcher ich die Malerei 
des Proszeniums geliefert hatte. Der Kasseler Witz 
und Humor war in dieser Gesellschaft vertreten 
durch den liebenswürdigen Bäckermeister Wilh. 
Weißenborn, den sarkastischen Holzhändler Karle 
Ackermann, den Meßinspektor Hennes Nuhn 
und den humorvollen Techniker Eduard Becker 
(die Kötze genannt). Letzterer schrieb eine schauer— 
liche Räubertragödie, welche auf dieser Gartenbühne 
aufgeführt wurde, die am Schluß des Stücks mit 
Leichen übersätt war. Becker starb, nachdem er 
sich im Düsseldorfer Malkasten durch seinen Humor 
Ruhm erworben, im Irrenhause. Weißenborn 
feierte gelegentlich der Versammlung der deutschen 
Kunst- und Erwerbsgenossen, welche zusammen in 
Kassel 1866 tagten, bei dem denselben zu Ehren 
gegebenen Bankett auf Wilhelmshöhe durch seinen 
liebenswürdigen, stets schlagfertigen Humor Tri— 
umphe, so daß Männer wie Professor Martersteig, 
der Redner der Kunstgenossen, Karl Hoff, Hoffmann 
von Fallersleben, der Maler und Dichter von Holl— 
berg, Schulze-Delitzsch und Blaswitz von Breslau 
ihn huldigend umarmten und bekränzten und mit 
„Born der Weisheit“ titulierten. Der Kasseler 
Witz treibt gewiß auch heute noch im Karnevals— 
Verein seine Blüten, aber ich glaube, ein Weißen— 
horn ist noch nicht wieder erstanden.?7) 
An dem schon erwähnten Hause Nr. 28 Jjetzt 29)] 
der Humboldtstraße, welches bis 1871 ein beschei— 
denes niedriges Gartenhäuschen in Holzfachwerk 
war und nebst dem Garten dem Regierungsrat 
Otto Rembe gehörte (der später zur Oberrechnungs— 
kammer nach Potsdam versetzt wurde), welcher im 
Jahre 1871 das Häuschen in Fachwerk erhöhte 
und einen massiven Bau anschloß, führt südlich der 
früher erwähnte westliche Gartenweg nach der so— 
genannten Eidechse, an deren Eingang ich, der 
Maler- und Weißbindermeister R. Hochapfel, 
im Jahre 1865 in meinem am Berge liegenden 
Garten ein kleines sogenanntes Schweizerhäuschen 
erbaute und dasselbe 1869 soweit vergrößern ließ, 
daß dasselbe als Wohnhaus für eine kleine Familie 
dienen konnte. (Nr. 25 [27] der Humboldtstraße.) 
Dasselbe wird nach der geplanten Durchführung 
der Weinbergstraße an die Südseite derselben zu 
liegen kommen. Dem letztgenannten Häuschen schräg 
gegenüber entstand 1867 auf der Ebene das Wohn— 
haus des prakt. Arztes Dr. Wilhelm Wehr 
27) Wilh. Weißenborn starb am 15. April 1869 z3u 
Kassel, 60 Jahre alt. 
Nr. 21 ljetzt 25) der Humboldtstraße), welches 
iach Herstellung der Weinbergstraße bis zur Ulmen— 
traße fast vollständig in die Weinbergstraße fallen 
vird. Hier war auf den früheren Stadterweiterungs— 
»länen ein großes Rondel projektiert, welches einen 
leinen Teil des Dr. Wehrschen Gartens, fast den 
zanzen Hochapfelschen Garten nebst Häuschen und 
ꝛinen kleinen Teil des früher Dr. Pfeifferschen, 
etzt Kaufmann Heerdtschen Gartens umfassen sollte. 
Man hat sich aber vor einigen Jahren überzeugt, 
daß der schöne Aussichtsplatz am westlichen Ende 
der Weinbergstraße, wenn auch etwas beschränkter, 
ohne große Kosten anderweit herzustellen wäre, und 
nan hat deshalb von dem früheren Projekt Abstand 
genommen. 
Von dem Hause Nr. 23 der Humboldtstraße bis 
iach Sanssouci befand sich an der Nordseite des 
Wegs kein Haus, an der Südseite desselben nur 
in steinernes Gartenhäuschen in dem Garten der 
Witwe Beinhauer Echwester des Oberbürger— 
neisters Nebelthau). Auf den Kellergewölben dieses 
däuschens ließ später die Witwe des Kaufmanns 
Bindernagel, geb. von Griesheim, welche den 
Harten teilweise erworben hatte, die gotische Villa 
Nr. 31 der Humboldtstraße) erbauen. 
Dann waren die letzten unterhalb der Beinhauer— 
schen Besitzung liegenden, an Sanssouci an— 
toßenden und bis zum Philosophenweg sich ziehenden 
Härten durch den ersten Pionier dieser Gegend, den 
Pfarrer Herm. Wilhelm Jäger?s), schon im 
Jahre 1845 für zusammen 900 Taler erkauft und 
mit einem Wohnhause (Humboldtstraße Nr. 833 
sjetzt 39)) bebaut. Diese Gärten hatten aber von 
der Humboldtstraße aus gar keinen Zugang, sondern 
iur von der sogenannten Eidechse und vom Philo— 
ophenweg. Pfarrer Jäger kaufte daher noch einen 
Streifen von Sanssouci für diesen Zugang von 
der Humboldtstraße für 100 Taler an, friedigte 
denselben an seine Besitzung ein und kultivierte 
hesonders Zwergobst und Wein auf seinem nun 
zu einem einzigen Garten umgeschaffenen Grund— 
tück. In den 40er Jahren schüttelte man die 
Zöpfe über das gewagte Unternehmen in dieser 
abgelegenen, gewissermaßen verrufenen Gegend, wo 
Hartendiebstähle etwas sehr Gewöhnliches waren. 
Der 1862 verstorbene Oberstleutnant Briede?9 
zrzählte, daß er einst, zur Herbstzeit sich ruhig 
in seinem Garten aufhaltend, bei einem seiner dicht 
285) Pfarrer Jäger war 1820-29 Lehrer am Lyceum 
ridericianum, später Stadtrat und Vizebürgermeister. 
Er starb im September 1867 4u Kassel im 84. Lebens— 
ahre. 
289) Friedrich Briede, schon seit 1839 als Bataillons— 
ommandeur im 1. Inf.-Regt. pensioniert Vgl. über ihn 
Hessenland“ Jahrq. 1894. S. 194 ff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.